Oberbürgermeister-Wahl in Frankfurt: Lärm schüchtert Kandidaten ein
Der Protest gegen die neue Landebahn in Frankfurt prägt die Oberbürgermeister-Wahlen am Sonntag. Plötzlich sind alle Bewerber gegen Fluglärm.
FRANKFURT/MAIN taz | Als es um das Thema Fluglärm ging, begann der Saal zu kochen. Plakate wurden in die Luft gehalten, die Fluglärmgegner machten sich lautstark bemerkbar. Auf dem Podium bekamen die KandidatInnen zur Wahl eines neuen Oberbürgermeisters (OB) in Frankfurt zu spüren, was es bedeutet, gegen einen solchen Lärmpegel anzureden.
Besonders der CDU-Bewerber und amtierende hessische Innenminister Boris Rhein konnte keinen Satz vollenden, ohne ausgebuht zu werden. „Die Bahn muss weg“, skandierten viele der Zuhörer, die sich im Gewerkschaftshaus des DGB zur Podiumsdiskussion der OB-Kandidaten eingefunden hatten. Seit im Oktober 2011 die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen eingeweiht wurde, nehmen die Proteste gegen die steigende Lärmbelästigung zu. Jeden Montag protestieren Tausende am Terminal.
Darauf haben sich die KandidatInnen eingestellt – und teilweise ihr Fähnchen nach dem Wind gehängt. Gerade Boris Rhein: Seit seiner Nominierung spricht er sich plötzlich für ein striktes Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr aus. Gleichzeitig klagt er mit der schwarz-gelben Landesregierung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Durchsetzung von bis zu 17 Nachtflügen. Für viele ist er deshalb unglaubwürdig.
Doch auch die anderen Kandidaten haben Mühe, sich glaubwürdig darzustellen. Peter Feldmann – bisher nicht als Flughafenexperte bekannt – nimmt sich des Themas Fluglärm denn auch vorsichtig an. „Ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr“, fordert der SPD-Mann. Seine Landespartei, seit jeher eine Verfechterin des Ausbaus, spricht sich aber nur für Nachtruhe von 23 bis 5 Uhr aus.
Die Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion redet die Unterschiede klein: Sie seien „im Vergleich zu den anderen Parteien marginal“. Ob Feldmann aus Rücksicht auf die hessische SPD die Wirtschaftskraft des Flughafens betont? Zumindest erntete auch er dafür Schmährufe im DGB-Haus.
Schwer hat es auch die grüne Kandidatin Rosemarie Heilig, die sich gar für eine „Schließung der Landebahn“ ausspricht. Zwar pflichten ihr viele grüne Politiker bei, doch seit die Ökopartei 2006 in Frankfurt in eine Koalition mit der CDU eintrat, enthielt sie sich bei wichtigen Abstimmungen über den Flughafenausbau. Dieser fehlende Rückenwind aus der eigenen Partei macht Heilig, wie auch ihren beiden Mitbewerbern, zu schaffen.
Favorit, aber ohne Mehrheit
Der Fluglärm ist eines der entscheidenden Themen für die Wahl am Sonntag. Das zeigen auch die Umfragewerte: Während Rhein vergangenes Jahr als haushoher Favorit galt, votieren laut einer aktuellen Umfrage der Frankfurter Rundschau nur noch 30 Prozent der Befragten für ihn. Für die notwendige absolute Mehrheit muss er also voraussichtlich in die Stichwahl.
Peter Feldmann von er SPD hat in der Umfrage immerhin 22 Prozent, die Grüne Heilig kommt auf 11 Prozent. Je rund 3 Prozent entfallen auf den Piraten Herbert Förster und die Linke Janine Wissler. Über 18 Prozent haben sich „noch nicht entschieden“.
Doch nicht alle Frankfurter sind vom Fluglärm betroffen, und so werden auch andere Probleme über den Wahlausgang entscheiden, besonders das wachsende Haushaltsloch und der knapper werdende bezahlbare Wohnraum. Rhein und die Landesregierung erwägen einen Verkauf der Anteile an der Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte. Etwa die Hälfte der 62.500 Wohnungen der Heimstätte sind Sozialwohnungen. Das macht den Deal in Frankfurt nicht gerade populärer.
Doch das eigentliche CDU-Kleintel betrifft das weniger. Aus diesem bürgerlichen Lager sind viele mehr vom Fluglärm betroffen – und treffen sich am Flughafen zum Demonstrieren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!