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Obduktion ergab: Israeli hatte Kugel im Kopf

■ Bericht wurde erst nach der Beerdigung der am Mittwoch in der Westbank getöteten jungen Israeli veröffentlicht Palästinensischer Jugendlicher erschossen / Fünf Häuser von angeblich an Auseinandersetzungen Beteiligten gesprengt / Siedler fordern „Vergeltung“

Karnei Shorom (wps) - Die Obduktion der am Mittwoch bei Auseinandersetzungen in der Westbank ums Leben gekommenen jungen Israeli Tirza Porat hat ergeben, daß sie nicht nur von einem schweren Gegenstand, sondern auch von einer Kugel am Kopf getroffen wurde. Zunächst hatte es geheißen, die 15Jährige aus der jüdischen Siedlung Elon Moreh sei von steinewerfenden Palästinensern getötet worden. Unter Berufung auf einen Bericht der Armee hieß es am Donnerstagabend, die Kugel stamme aus einer der israelischen Waffen, mit denen bei dem Zwischenfall in Beita auch zwei Palästinenser von einer bewaffneten Eskorte der Schülergruppe erschossen worden waren. Von Palästinensern seien jedoch keine Schüsse abgegeben worden. Rundfunk– und Fernsehberichten zufolge hat eine erste Untersuchung des Militärs über den Tod des Mädchens folgendes Bild ergeben: Einige Palästinenser hätten Steine auf die israelischen Jugendlichen geworfen, als sie am Rande von Beida picknickten. Der 26jährige Roman Aldubi, einer der Siedler, habe sofort das Feuer eröffnen wollen, aber sein Kollege Menachem Ilan habe ihn davon abgehalten. Al dubi habe dann die SchülerInnen aufgefordert, einen Kreis um ihn zu bilden, damit die Palästinenser ihm sein Gewehr nicht entreißen. Nachdem die Jugendlichen der Aufforderung nachgekommen seien, habe er das Feuer eröffnet und zwei Palästinenser erschossen. Als die Palästinenser schließlich seiner Waffe habhaft wurden, habe er bereits keine Munition mehr gehabt. Auch Ilans Gewehr sei entwendet worden, ohne daß jedoch ein Schuß daraus abgefeuert wurde. Beide Waffen wurden von der Bevölkerung von Beita zertrümmert und die Reste später der Armee übergeben. Diese Version legt die Möglichkeit nahe, daß Tirza Porat von einer Kugel getroffen wurde, als Aldubi aus der Gruppe der SchülerInnen heraus das Feuer auf die palästinensischen Demonstranten eröffnete. Aldubi ist ein radikaler Aktivist der Siedlerbewegung. Letztes Jahr wurde er für sechs Monate aus Nablus verbannt, nachdem er in anti–palästinensische Provokationen in und um das Flüchtlingslager Balata verwickelt war. Der Bericht über die Obduktion war erst nach der Beerdigung am Donnerstagnachmittag veröffentlicht worden. Im Verlauf der Trauerfeier in Karnei Shomron nahe der Siedlung Elon Moreh kam es zu emotionsgeladenen Szenen. Etwa 3.000 wütende und zum Teil schwer bewaffnete Trauergäste verwandelten die Feier in eine politische Demonstration für schärfere Maßnahmen gegen die Palästinenser. „Das Blut der ganzen Nation kocht“, erklärte Ministerpräsident Jitzhal Shamir, der selbst dem Begräbnis beiwohnte. „Gott wird ihr Blut rächen. Jedes Töten stärkt und einigt das israelische Volk, bindet es stärker an dieses Land, verteilt seine Wurzeln hier ... Dieses Land wird fühlen, daß es uns gehört und niemand anders.“ Rabbi Haim Druckman von der nationalreligiösen Partei rief den Versammelten zu: „Das Dorf Beita muß von der Landkarte verschwinden!“ „Amen, Amen!“ entgegneten die Trauergäste. Viele Redner forderten den Bau neuer Siedlungen, die Ausweisung von Steinewerfern samt Familien, vermehrten Schußwaffengebrauch durch die Armee gegen Palästinenser oder die Zerstörung von Beita. Fünf Häuser in Beita wurden am Donnerstag von der israelischen Armee gesprengt. Ihre Bewohner sollen an dem Zwischenfall beteiligt gewesen sein. Hunderte von Palästinensern wurden verhört. Ein Jugendlicher wurde von israelischen Soldaten erschossen, als er die Aufforderung, stehen zu bleiben, mißachtet haben soll. Siedler übten nach der Beerdigung ihre eigene „Vergeltung“. Überall in der Westbank kam es zu Vorfällen, bei denen aufgebrachte Siedler Fenster von Autos und Häusern in palästinensischen Ortschaften einwarfen. Kommentar auf Seite 4

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