Obdachlose: Alle können ins Warme
Die Winternotprogramme in Norddeutschland scheinen zu funktionieren. Nur wenige Heimatlose nehmen das Angebot aus individuellen Gründen nicht an. Zur Not geben ihnen die Helfer einen Schlafsack.
Bei zehn Grad minus unter der sprichwörtlichen Brücke zu schlafen, ist kein Spaß. Trotzdem hält sich der Ansturm auf die Notunterkünfte für Obdachlose in Norddeutschland in Grenzen. Warme Schlafplätze gebe es genug, wird allenthalben versichert. "Wir machen uns Sorgen um die, die nicht kommen", sagt Bertold Reetz von der evangelischen Inneren Mission in Bremen. Wer trotz der großen Kälte draußen schlafe, habe dafür persönliche Gründe.
Der strenge Winter ist eine große Gefahr für Menschen, die auf der Straße leben. Wer schlecht ausgerüstet ist und im weichen Alkoholnebel die Kälte nicht spürt, kann leicht sterben. Nach einer Zählung der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe sind in diesem Winter mindestens neun wohnungslose Männer erfroren, allerdings noch keiner in Norddeutschland.
Trotz aller Bemühungen der Kommunen und der meist mit den Kirchen verbundenen Hilfsorganisationen gelingt es selbst in solchen Notzeiten nicht, alle Berber von der Straße zu holen. Gründe dafür, den Notunterkünften fern zu bleiben, gebe es viele, sagt Reetz von der Inneren Mission. Einige Obdachlose seien psychisch krank und scheuten die Nähe zu Menschen. Andere hätten Angst, bestohlen zu werden oder ihren Hund nicht mitbringen zu dürfen. Wieder andere wollten die Hausordnung nicht akzeptieren. Und für manche gehe ihre Unabhängigkeit über alles. "Die haben so eine Art Stolz entwickelt", sagt Reetz.
Der Senat hat im Herbst eine Studie zur Obdachlosigkeit in der Hansestadt vorgelegt.
Die Zahl der Obdachlosen hat demnach seit 2002 um fast 20 Prozent abgenommen. Gut 1.000 Menschen leben in Hamburg auf der Straße. In Bremen sind es nach einer Schätzung der Inneren Mission 300 bis 500.
Der Altersdurchschnitt ist um drei auf 43 Jahre gestiegen und mit ihm die Dauer der individuellen Obdachlosigkeit.
Vermehrt Ausländer leben in Hamburg auf der Straße: inzwischen stellen sie ein Viertel der Obdachlosen. Problem: Viele von ihnen haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen.
Für einige dieser Probleme haben die Betreiber der Unterkünfte Lösungen gefunden: Es existieren spezielle Schlafplätze für Menschen mit Hunden. Der Hamburger Tierschutzverein hat Obdachlosen kürzlich angeboten, ihre Hunde über Nacht aufzunehmen. Für Wertsachen gibt es Spinde und Schließfächer oder die Möglichkeit, sie einem Betreuer zur Aufbewahrung zu geben. "Da hat sich in den letzten Jahren viel getan", versichert Josef Laupheimer von der Hamburger Caritas, einer katholischen Hilfsorganisation.
Die Innere Mission bietet auch Ein- und Zweibettzimmer an. Dazu komme eine eigene Einrichtung für Frauen, sagt Reetz. Schwierig wird es dort für die stark Alkoholabhängigen. Sie dürfen zwar betrunken in die Unterkünfte kommen, ihr Schnaps wird aber für die Dauer des Aufenthalts vom Betreuungspersonal verwahrt.
Die Helfer versuchen es den Wohnungslosen leicht zu machen, eine Notunterkunft zu nützen. Die Hamburger Caritas transportiert Obdachsuchende mit einem kleinen Pendelbus von der Bahnhofsmission im Hauptbahnhof zu einer abgelegenen Sammelunterkunft in der Nähe des Flughafens - und wieder zurück, wie Laupheimer versichert.
Im ländlich geprägten Schleswig-Holstein geht die Diakonie von einem kleinen Kreis von etwa 50 Menschen aus, die auch bei Frost versuchen, Notunterkünfte zu meiden. Die Diakonie stehe das ganze Jahr über mit ihnen in Kontakt, sagt deren Sprecher Michael van Bürk. Im Winter biete sie ihnen in acht Städten spezielle Wohnungen an. In Kiel handele es sich dabei um einen beheizten Container, der nachts geöffnet sei und von einem Sozialarbeiter betreut werde. "An ganz Hartnäckige geben wir auch Schlafsäcke aus", sagt van Bürk.
Deutschlandweit haben nach Schätzung der BAG Wohnungslosenhilfe rund 227.000 Menschen keine Wohnung. Die meisten von ihnen seien in Unterkünften untergebracht. Auf der Straße lebten etwa 20.000 Menschen. Hilfsangebote fehlten vor allem für die Altersgruppe 18-Plus.
Laupheimer und Reetz appellieren an Passanten, die Hilfsdienste auf möglicherweise gefährdete Wohnungslose hinzuweisen. "Unser Ziel ist, dass niemand stirbt", sagt Reetz. In den vergangen Jahren sei das auch erreicht worden. "Letztlich können wir aber nur soviel tun, wie wir in Anspruch genommen werden", sagt er.
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