Obama deutlich vorn: Ausverkauf eines Kandidaten

Die Wahrscheinlichkeit, dass Obama ins Weiße Haus einzieht, wird immer größer. Sogar McCain Werbe-Artikel sind schon preisreduziert. Und doch warnen die Demokraten: "Es ist nicht gelaufen".

Begeistert viele, die vorher überhaupt nicht wählten: Barack Obama. Bild: ap

Eigentlich gibt es nur zwei Dinge, die dem republikanischen Kandidaten John McCain am Dienstag nächster Woche noch zu einem Wahlsieg verhelfen können: Entweder die aktuellen Umfragen aller US-amerikanischen Meinungsforschungsinstitute liegen dramatisch falsch und in der Wahlkabine entscheiden die Menschen, egal aus welchen Gründen, doch ganz anders. Oder ein externes Ereignis, etwa ein Terroranschlag oder ein Riesenfauxpas Barack Obamas spülen McCain plötzlich wieder nach oben.

Immerhin. Der Mann hat den Ruf eines Stehaufmännchens. Geschieht aber nichts dergleichen, dann wird am Dienstag in einer Woche Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt werden.

Obama führt seit Wochen mit steigender Tendenz in allen Umfragen. Die jüngsten, von der Website realclearpolitics.com zusammengefassten Werte sehen ihn landesweit mit 7,6 Prozentpunkten in Führung, und auch in allen kritischen "Battleground States" liegt der Senator aus Illinois vorne. Selbst in republikanischen Staaten wie Montana hat sich Obama bis auf drei Prozent an McCain herangearbeitet. Dort hatte George W. Bush die Wahl 2000 mit 25, die von 2004 mit 20 Prozent Vorsprung gewonnen. In anderen traditionell umkämpften Staaten, etwa Florida und Ohio, hat die Wahl bereits begonnen: Seit dem 20. Oktober dürfen die Menschen dort schon ihre Stimmen abgeben.

Die Obama-Kampagne, von vielen als die beste Wahlkampforganisation in der US-Geschichte bezeichnet, ist bereits vollauf damit beschäftigt, ihre Anhänger zu den Wahllokalen zu bringen und den Vorsprung in den Umfragen an die Urnen zu tragen: Lange Schlangen vor den Wahllokalen geben Zeugnis davon, dass das auch funktioniert. Konsterniert registrieren republikanische Strategen, dass die Frühwähler diesmal nicht wie sonst weiße republikanische Rentner sind, sondern junge Demokraten, viele Schwarze - insgesamt nach ersten Berichten ein Verhältnis 2:1 von Demokraten zu Republikanern.

Auch in den Souvenirshops rund um die U-Bahn-Station Metro Center in downtown Washington DC ist die Wahl schon gelaufen. "50 Prozent auf alle McCain-Artikel" verkündet ein Schild, und tatsächlich: Während die schnittigen blauen Windjacken mit Obama-Logo für 51 Dollar angeboten werden, geht die gleiche Jacke mit McCain-Zeichen für 25 Dollar über den Ladentisch. Desgleichen T-Shirts und Sweatshirts mit den Konterfeis von Sarah Palin und John McCain, McCain-Gummipüppchen und Baseballcaps - alles mit 50 Prozent Rabatt. Kurz: Wenn nichts mehr anbrennt, dann stehen Barack Obama und die Demokraten vor einem überwältigenden Sieg.

Insbesondere in konservativen Kreisen wird das auch kaum noch angezweifelt. David Frum, der neokonservative frühere Redenschreiber Bushs, fordert bereits ein Nachdenken über die Neuorganisation der Republikanischen Partei. McCain, so Frum, könne die Wahl nicht mehr gewinnen. So ähnlich sieht das auch Karl Rove, der "Architekt" der Bush-Wahlkämpfe, den die Demokraten zu Recht für Polarisierung und Spaltung der US-Gesellschaft verantwortlich machen. Auch für ihn geben die Zahlen nur noch eine theoretische Chance für McCain her.

Schon also geht es bei den Republikanern mehr darum, wer am bevorstehenden Debakel schuld ist. Ganz sicher: George Bush. Dafür spricht, dass nach derzeitigem Stand nicht nur McCain verlieren wird: Auch im Kongress drohen den Republikanern dramatische Verluste. Dann: Die Finanzkrise. Die Medien. Der Hype um Obama. Die Auftritte John McCains. Sein Alter. Der schlecht geführte Wahlkampf. Und Sarah Palin. Die in nationaler Politik unbedarfte Gouverneurin aus Alaska wird inzwischen von vielen Kommentatoren als entscheidender Missgriff McCains angesehen, mit dem er sich um sein wichtigstes Argument gegen Obama gebracht habe: Erfahrung.

Auf konservativer Seite glaubt nur John McCain selbst noch an einen Wahlsieg - oder behauptet das zumindest. Bei einem Fernsehauftritt in der Sendung "Meet The Press" vom Sonntag sagte er, er sei stolz auf seinen Wahlkampf, könne in allen Staaten mithalten und es gehe ihm gut. Was soll er denn auch sagen? Wirklich energisch gegen vorzeitigen Siegestaumel kämpft allerdings Obamas Team.

Mehrmals am Tag erhalten die eingetragenen Unterstützer Mail- und SMS-Nachrichten, und wer irgend kann, soll sich in dieser und der nächsten Woche bereithalten, um in den umkämpften Staaten Anrufe zu tätigen, noch einmal von Haus zu Haus zu gehen. Zu oft haben die US-Demokraten schon die Erfahrung gemacht, sicher geglaubte Wahlen gegen scheinbar klar unterlegene Gegner doch noch zu verlieren - das soll ihnen diesmal nicht wieder passieren. "Niemand soll glauben, dass die Sache schon gelaufen ist," sagt Obamas Chefstratege David Axelrod, "es ist nicht gelaufen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.