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Archiv-Artikel

OSCAR WILDE, SLING UND FACESITTING Lass mich dein Tampon sein

MARTIN REICHERT

Zeig mir deine Pornos und ich sage dir, wer du bist. Oder noch besser: Sag mir, was du verbietest und ich sage dir, wer du bist. In britischen Pornofilmen zum Beispiel sind seit Neuestem diverse Praktiken nicht mehr erlaubt – und man würde doch allzu gerne Mäuschen gespielt haben in jenem Gremium, dass die Verbote beschlossen hat. „Fisting“ zum Beispiel wurde als lebensbedrohlich eingestuft – was man noch diskutieren könnte, denn das Herumfuhrwerken in Eingeweiden kann bei mangelnder Vorsicht durchaus zu Verletzungen führen. Aber welche Gefahren gehen von einer weiblichen Ejakulation aus? Gar von „Dirty Talk“ oder einer „Penetration mit Gegenständen“? Gut, wenn es sich bei diesem Gegenstand nun um eine Glasflasche handeln würde, die wie in Oscar Wildes Beschreibung einer schwulen Orgie in „Teleny“ im Anus abbräche, sodass sich das arme Opfer zum Suizid genötigt sähe ob der zu erwartenden Schande bei Aufsuchung eines Arztes.

Das vermutlich von Wilde verfasste „pornografische“ Werk stammt aus dem Jahr 1893, schlappe 123 Jahre später nun sieht sich die Regierung Cameron genötigt, die britische Bevölkerung davor zu schützen, sich mit „Spanking“ und Urin-Spielen konfrontiert zu sehen – wohlgemerkt bei bewusster Aufsuchung von Online-Streaming-Portalen, die entsprechende pornografische Materialien zur Verfügung stellen.

Bei Oscar Wilde war es noch die Homosexualität, die es zu unterdrücken galt. Doch im neuen Jahrtausend müssen vor allem die Heterosexuellen unter Kontrolle gehalten werden. Schluss mit der Schweinerei – allem voran anscheinend sämtlichen BDSM-Praktiken, die zuletzt in dem Mega-Bestseller „Fifty Shades of Grey“ gefeiert wurden – weltweit wurden über 70 Millionen Exemplare der Trilogie verkauft.

Doch in England scheint es noch schlimmer zuzugehen – kein Wunder: Man weiß ja, dass der Oralverkehr aus Frankreich kommt, aber wussten Sie, dass Sex der härteren Gangart als „englischer Sex“ bezeichnet wird? Peitschen, Ketten, Fesseln – das ganze Programm. Und „Dirty Talk?“ Wir erinnern uns an Prince Charles, der seiner seinerzeitigen Geliebten Camilla Parker Bowles telefonisch anvertraut hatte, dass er gerne ihr Tampon sein wolle.

Im Prinzip gilt weltweit die Regel: Je stärker die Bestrafung, desto höher das tatsächliche Aufkommen in der Praxis. Wird zum Beispiel in einem Land Homosexualität mit dem Tod bestraft, kann man davon ausgehen, dass mann-männliche Sexualität dort besonders virulent ist. Bedeutet die neue Regelung also, dass die Briten tatsächlich besonders „kinky“ im Bett sind? Und dass die Frauen in UK überproportional stark ejakulieren? Umgekehrt würde das bedeuten, dass die britischen Männer Orgasmusprobleme haben, denn deren Ejakulation gilt weiterhin als legal.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Donnerstag Sonja Vogel German Angst

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Montag Maik Söhler Darum

Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin

MittwochMatthias LohreKonservativ

„Facesitting“ wurde übrigens auch als gefährlich eingestuft – potentieller Erstickungstod. Gut: Erst neulich dachte ich, dass die Kombination aus Sling und Facesitting irgendwie ungesund ist, weil ich am nächsten Tag ziemliche Schmerzen im Nacken hatte. Aber kann man Erwachsenen nicht vielleicht doch zutrauen, dass sie das Atmen nicht vergessen, wenn sie sich entschließen auf Tuchfühlung mit dem Unterleib ihrer Sexualpartner zu gehen?