ORTSTERMIN: IN BREMEN PREDIGT DER SALAFIST PIERRE VOGEL, GEGENDEMONSTRANTEN MUSS MAN SUCHEN : Hasspredigt live, Bruder
Die Männer vom THW hieven schon die Absperrungen wieder auf den LKW, da ist Salafisten-Prediger Pierre Vogel noch mitten drin. Meterweise hat die Polizei am Sonntag die Gitter vor dem Bremer Hauptbahnhof aufgereiht und Zonen eingerichtet – für die Salafisten, die Gegendemonstranten und die Zugreisenden. Zum Zug wollen viele, zu Vogel etwa 350.
Von der „German Defence League“, einer islamfeindlichen Gurkentruppe, sind sechs Gegendemonstranten aufgetaucht. Mit Fliegersonnenbrillen mischen sie sich unter die Schaulustigen. Etwas bleich sehen sie aus, so als würden sie sich nur von Frittiertem ernähren. Eine Fahne, zwei Dosen Pfefferspray und ein Messer haben sie dabei. Die Polizei sackt alles ein.
„Allahu Akbar“, schallt es über den Bahnhofsvorplatz. Pierre Vogel, braunes Hemd, gehäkelte Gebetskappe, spricht von der Ladefläche eines PKW-Anhängers. Vor ihm junge Männer mit Handykameras, hinten die Frauen. Vogel macht Witze. „Jetzt kann man eine Hasspredigt live erleben“, sagt er, „und Terroristen persönlich kennenlernen.“ Sein kölscher Dialekt klingt nach Karneval. Er begrüßt seine Leute mit Handschlag. „Bruder“, sagt er. Mit „Bruder“ sprechen sie sich alle an. So wie „Digger“ in Hamburg, das klingt lässig. Man versteht, warum er Leute anzieht.
Ein paar Linke stehen hinter den Absperrungen. Irgendwo halten drei Frauen Schilder hoch, „Jesus = Wahrheit“ steht da. Noch vor Beginn der Kundgebung war der Neonazis Markus Privenau gesenkten Kopfes über den Platz geschritten. Die Luft scheint raus bei Privenau, kein Sportsgeist mehr, nicht zäh wie Leder. Mit ein paar Hooligans gafft er nur. Sie haben Hüfttaschen um und Turnschuhe an – wie die jungen Salafisten, nur ohne Bart.
Vogel holt drei Leute auf die Bühne, die ihm das Glaubensbekenntnis auf Arabisch nachsprechen. Danach seien sie Muslime, sagt er. „Jetzt bloß nicht mitreden“, witzeln die Journalisten hinten. „Noch einer?“, fragt Vogel. Ein kleines Mädchen, vielleicht dreizehn Jahre alt, kommt zur Bühne. Vogel spricht ihr die Verse vor. Sie konvertiert.
„Menschenfischer“ hatte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ihn genannt, wollte den Auftritt verhindern. Das Oberverwaltungsgericht hatte das Verbot gekippt. Vor ein paar Wochen wurde in Bremen eine Moschee durchsucht. Vier Salafisten sollen nach Syrien in den Krieg gezogen sein. Nachwuchs-Kämpfer müssten dort zur Einstimmung Gefangenen die Kehle durchschneiden, berichtet der Spiegel.
Vogel schmunzelt die ganze Zeit. Alle sollen nachher den Müll einsammeln, sagt er. „Wir wollen einen guten Eindruck machen.“ Dann fallen doch noch Sätze, die zum Mord an Frauen und Kindern aufrufen. „Ach nein, die sind ja aus der Bibel“, schiebt er hinterher. Vogel ist nicht dumm. Als er vom Anhänger steigt, bildet sich eine Traube um ihn. Unter den jungen Männern hier ist er ein Popstar.JEAN-PHILIPP BAECK