ORTSTERMIN: GRILLABEND VOR DER WELTMEISTERSCHAFT IM TRIPLE-ULTRA-TRIATHLON IN LENSAHN : Über die Qualen kaum ein Wort
Nudelparty ist am Donnerstag, am Abend vor dem Wettkampf. Da wird der Kohlenhydrat-Speicher richtig aufgefüllt für 11,4 Kilometer Schwimmen, 540 Kilometer Rad fahren und anschließend noch drei Marathonläufe. An einem Stück. Mittwoch gibt es dafür gemütlich Eiweiß in Form von Grillwurst und Nackensteak. Der TSV Lensahn begrüßt die 50 Teilnehmer zum 19. internationalen Triple-Ultra-Triathlon im Sportlerheim.
An der Theke kommt Organisator Wolfgang Kulow gar nicht mehr aus dem Hände-Schütteln raus. Trotzdem bleibt noch Zeit, zu erzählen: „1992 bin ich auf die Idee gekommen, etwas längeres als den Ironman zu machen, der ist ja mittlerweile schon ein Sport für jedermann.“ Zum Doppel-Ultra-Triathlon in Huntsville, Alabama, war es Kulow zu weit. „Dann machen wir das doch lieber vor der Haustür“, sagte er sich und setze noch einen Ultra drauf. Mit Schwimmbad und schönen Radstrecken bot das ostholsteinische Lensahn zwischen Kiel und der Lübecker Bucht perfekte Bedingungen.
Den Athleten aus 13 Ländern schmeckt es 36 Sunden vor dem Startschuss sichtlich gut. „Darauf fiebere ich das ganze Jahr hin, endlich darf ich mich so lange bewegen, wie ich will“, sagt Steffen Schelenz aus Heidelberg. Für den 37-Jährigen sind die langen Strecken gemütlicher als der einfache Ironman. „Man muss sich nicht so abhetzen und in der Wechselzone geht es ruhiger zu.“
58 Stunden hat jeder Teilnehmer Zeit, um anzukommen. Schelenz hat letztes Jahr gut 47 Stunden gebraucht. Der in Lensahn aufgestellte Weltrekord liegt bei 31 Stunden 45 Minuten. „Es geht darum, die körperlichen Grenzen kennenzulernen“, sagt Schelenz. Der Rennarzt hat ihn einmal nach 25 Stunden gefragt: „Hey, wieso lachst du noch?“
Über die Qualen wird weniger geredet. Die kommen früh genug, besonders wenn sich die Müdigkeit meldet. Ein Nickerchen ist zwar erlaubt, aber die Kunst besteht darin, möglichst keine Pausen zu machen und einen gleichmäßigen Rhythmus zu finden. „Das können ältere Athleten oft besser, weil sie mehr Erfahrung haben“, sagt der Frankfurter Mark Hohe-Dorst. So hat der 62-jährige Franzose Guy Rossi, der auch diesmal wieder am Start ist, im letzen Jahr den 6. Platz erreicht.
Hohe-Dorst selbst ging im letzten Jahr bei seiner Lensahn-Premiere das Rad fahren zu schnell an. „Auf der Laufstrecke ging es mir dann gar nicht gut. Da ist Steffen fast 30 Kilometer mit mir gegangen, nur zur Unterhaltung und auf Kosten der eigenen Zeit.“ Das ist kein Einzelfall. Im letzten Jahr schlief ein Teilnehmer auf dem Rad ein, stürzte und bekam von einem ausgeschiedenen Konkurrenten sofort ein Ersatzrad gestellt. „Das zeichnet den Sport aus“, sagt Kulow. „ Hilfsbereitschaft unter der höchsten Belastung.“
Wer den Massenandrang beim Triathlon kennt, wundert sich über die familiäre Atmosphäre. In Lensahn identifiziert sich der ganze Ort mit dem Ereignis, für das 300 ehrenamtliche Helfer im Einsatz sind. „Deswegen bin ich wieder hier“, sagt Hohe-Dorst. „Man wird sofort angenommen.“ Ein größeres sportliches Ziel hat er allerdings noch: Den zehnfachen Ultra-Triathlon in Mexiko. RALF LORENZEN