ORDNUNG AUF DEM RASEN : Grillen legal
Früher Abend, Geburtstag am Kreuzberger Landwehrkanal. Wir haben zwei Grills angeworfen, Decken ausgebreitet und Getränke sortiert, als eine blau-weiße Wanne auf dem Parkweg bremst. Fünf Mitarbeiter des Ordnungsamtes sitzen ab und beenden mit Strafzetteln im Anschlag das Grillglück des gesamten Grünstreifens. Das Alpha-Tierchen der Truppe, Marke Fußballtrainer C-Schüler mit Hang zum Sadismus, sagt: „In zwee Stunden kommen wa wieder, denn kostets 100 Euro.“ Daneben sein Adlatus mit einer „Stock-im-Arsch-Haltung“, wie sie sonst nur ZDF-Moderatoren draufhaben, ergänzt: „Im Görlitzer Park, ganz in der Nähe, gibt es eine ausgewiesene Grillfläche.“
Wir überlegen kurz, schreiben zwei Dutzend SMS an geladene Gäste und ziehen los. Ein Straight-Edge-Punk, sonst Bürovorsteher eines Jugendverbandes, schnappt sich den Veganer-Grill, ich nehme die Nackensteak-Rutsche und los!
Mit offenem Feuer durch den Kiez zu laufen lässt mich spontan an eine radikal widerständige politische Praxis denken, aber wir machen das ja auf Geheiß des Ordnungsamtes. Als wir im Görli sind und dem Konsumkommando des „Angrillens“ nachkommen, ruft einer von uns fröhlich: „Alles ganz legal!“ Während wir ganz legal Tofu-Fackeln und Köfteburger brutzeln, fahren plötzlich Staub aufwirbelnd Polizeiwannen vorbei. Statt Afrikaner zu schikanieren, widmen sich die Beamten heute einer Technoparty, die zuvor noch ein mit Sixpack bewaffneter Freund nach Durchqueren des Parks als „kommunistischen Rave“ bezeichnet hatte. „Alles ganz legal!“, brüllen wir Rauchzeichen in den nächtlichen Himmel schickend den Wannen hinterher.
Nächstes Wochenende grillen wir am Kanzleramt. Ich freu mich schon aufs dortige Ordnungsamt. Vielleicht geht es dann ja im Laufschritt mit offenem Grillfeuer durchs Regierungsviertel. FLORIAN SCHMID