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OLITREISEN

Der Veranstalter, der für die Zielgruppe seines Programms die obsolete Anrede „Genossinnen und Genossen“ verwendet, verspricht seinen Kunden eine andere Reise — normale Reisen zu veranstalten sei nicht sein Job. Was also mag das andere sein, das TUI oder NUR nicht auch zu bieten hätten? Auf den ersten Blick weist der gerade erschienene Jahreskatalog des SPD-Reiseservices keine auffälligen Besonderheiten auf. Die Reiseziele— Malta („Ostern in die Sonne“), Portugal- Rundreise mit Badeaufenthalt („Sonnenurlaub“) auf den Kapverden oder Traumstrände der Karibik — sind branchenüblich; sie lassen auf gutbürgerliche Urlaubsgewohnheiten einer Klientel schließen, die das gehobene Preisniveau bevorzugt (zum Beispiel zwei Wochen Halbpension auf Malta 1.880 DM oder, bei gleicher Leistung, für 3.450 DM auf Aruba). Deutschland ist mit dem Bayerischen Wald als Ferienziel der Wanderer und Wintersportler vertreten sowie mit Ostfriesland als Pfingsttreff der Genossen samt Familien (fünf Nächte im Hotel mit Frühstück ab 330 DM pro Person): „Peter und Ursula besuchen die Ottifanten von Otto Waalkes, Papa und Mama Henry Nannens Kunsthalle“, schlägt der Katalogtexter dazu vor. Und wenn sie dann abends „bei Ostfriesentee über Politiker lästern“ — vielleicht erweisen sich auch Ostfriesen-Kalauer als hilfreich bei parteiinternem Frust? Hautnahe Konfrontation mit Gegenwartsproblemen versprechen dagegen der Glasnost- Sonderzug der SPD nach Warschau, Moskau und Kiew (zehn Reisetage für 2.960 DM ab Berlin) und ein achttägiges Besuchsprogramm in Kaliningrad (1.490 DM ab Berlin). Als Veranstalter-GmbH dieses gemäßigt politikorientierten Reisens unterscheidet sich die SPD von den Marktführern nicht wesentlich im Angebot, eher durch unbefriedigende Leistungen am Urlaubsort, wo man die gewohnten guten Dienste professioneller Reiseleiter schmerzlich vermißt. Fazit: Ideologie taugt nicht für die schönsten Wochen des Jahres. Hans-Gerd Kästner

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