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Archiv-Artikel

OFFKINO Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Eines der ganz großen Meisterwerke des Kinos ist F. W. Murnaus bei der Fox in Hollywood entstandener Carte-Blanche-Film „Sunrise“: ein deutscher Stummfilm im amerikanischen Studiosystem. Gemeinsam mit langjährigen Mitarbeitern wie Carl Mayer (Drehbuch) und Rochus Gliese (Bauten) machte sich der Meisterregisseur 1926/27 an die Verfilmung von Hermann Sudermanns Novelle „Die Reise nach Tilsit“, einer Geschichte um einen nicht ausgeführten Mord: Bei einem gemeinsamen Aufenthalt in der Stadt versucht ein Bauer das Vertrauen seiner Frau zurückzugewinnen. Es sind die einfachen Dinge, die hier für Freude sorgen: sich gemeinsam fotografieren lassen, eine Fahrt mit der Straßenbahn, ein turbulenter Jahrmarkt. Dabei fasziniert vor allem die spürbare Freude an der Bewegung: Murnau hatte die Kulissen mit enormen Aufwand bauen lassen, um haargenau jene fließenden Kamerabewegungen und Übergänge zu bekommen, die ihm vorschwebten.

Charlie Chaplin war ein ausgesprochen musikalischer Mensch: Gern komponierte er zu seinen Filmen die Musik, zudem brillierte der Komödiant oft auch mit tänzerischen Einlagen. Auch in „Modern Times“ (1936) glänzt er mit genialem Bewegungstalent: So gibt Charlie etwa als Nachtwächter eines Kaufhauses mit verbundenen Augen eine Rollschuheinlage, bei der er unwissentlich immer wieder haarscharf am Abgrund vorbeischrammt. Unvergessen bleibt auch Chaplins Darbietung als singender Kellner: Hier tritt er mit soviel Verve auf, dass ihm die Manschetten, auf die er seinen Text geschrieben hat, wegfliegen. Folglich singt er fortan in einer Fantasiesprache – der Film enthält generell keine verständlichen Dialoge. Und auch die erste – deutlich von René Clairs Satire „A nous la liberté“ (1931) beeinflusste – Sequenz, in der Chaplin den Irrsinn der Fließbandarbeit parodiert, ist brillant choreografiert: Immer schneller läuft das Fließband, immer frenetischer schrauben und hämmern die Arbeiter, doch plötzlich schnappt Charlie über und tänzelt auf der Suche nach Dingen, die er mit seinem Schraubenschlüssel festdrehen könnte, mit einer unglaublichen Grazie durch die Werkhallen.

Der deutsche Zusatztitel „Kampf um den Regenwald“ soll wohl ein „alternatives“ Publikum ins Kino locken. Doch dem Schweizer Dokumentaristen Christoph Kühn geht es in seinem Film über den Umweltaktivisten Bruno Manser weniger um die spektakulären Aktionen, mit denen Manser in Europa Aufmerksamkeit auf die Abholzung des Urwalds auf Borneo zu lenken versuchte, als vielmehr um dessen Leben mit dem noch recht urzeitlichen Volk der Penan: Für Kühn ist Manser ein idealistischer Abenteurer, der sich mit dem Leben im Urwald konsequent einen Kindheitstraum erfüllte. Indem Kühn die eigene Expedition zu den Penan mit deren liebevollen Erinnerungen an den im Dschungel verschollenen Manser verknüpft, gelingt ihm das sehr persönliche Porträt eines Aussteigers, der auch in der Wildnis letztlich von der ökonomischen Realität eingeholt wurde. Lars Penning

„Sunrise“ 30. 12. im Arsenal 2

„Moderne Zeiten“ 27. 12. im Kino Kiste

„Bruno Manser – Kampf um den Regenwald“ 27. 12.–2. 1. Neues Kant