OFFENER BRIEF: Liebe Schwestern und Brüder
■ an Dr. Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Lieber Bischof Lehmann, liebe Schwestern und Brüder, nach der tagelang kontrovers geführten Diskussion über das Thema Zölibat, ausgelöst durch meinen Fernsehauftritt in „Report“, und meine daraus resultierende Amtsenthebung möchte ich mich heute noch einmal direkt an Sie und die deutschen Katholikinnen und Katholiken wenden.
Ich möchte noch einmal nachdrücklich sagen, daß es mir niemals darum ging, religiöse Gefühle einzelner Christen zu verletzen und die katholische Kirche zu diskreditieren, sondern darum, ein eindeutiges Signal für längst überfällige Reformen zu setzen. Mein Ziel ist es: Gemeinsam in einen Dialog einzutreten. Ich bin fest davon überzeugt, daß es in meinem Fall nicht nur um die Beurteilung und Verurteilung einer Einzelperson geht, noch um die sehr eingegrenzte Frage nach dem klerikalen Heiratsverbot. Vielmehr geht es bei all dem um das Sichtbarwerden von tiefsitzenden Krankheitsherden innerhalb unserer Kirche. Diese müssen dringendst angeschaut und dann auch wirkungsvoll behandelt werden. So steht natürlich der Pflicht-Zölibat auch für eine belastende katholische Sexualethik, unter der viele Katholikinnen und Katholiken leiden müssen. Und er steht außerdem für Machtstrukturen, die nicht mehr zeitgemäß sind, jedoch das kirchliche Leben bis ins Detail bestimmen und prägen.
Viele von uns sehnen sich nach einer demokratischeren und menschen- und lebensfreundlicheren Kirche und würden gerne dafür arbeiten, ja sogar vielerlei persönliche Opfer dafür bringen. Ich schreibe diesen Brief gerade an Sie, lieber Herr Bischof, weil ich daran glaube, daß unsere Kirche, die wir lieben und in der wir leben wollen, reformierbar ist. (...) Es ist an der Zeit, nicht mehr ausschließlich lamentierend nach Rom zu schauen und von dort jedmögliche Veränderung zu erwarten, sondern als Ortskirche gemeinsam nach Wegen zu suchen, und um Entscheidungen zu ringen. Ich glaube, daß wir gemeinsam mit Ihnen, lieber Bischof Lehmann, einen guten Weg gehen können. Lassen Sie uns hier in Mainz damit beginnen und hoffen, daß diese Signale überall Gehör finden. (...)
Lieber Bischof Lehmann, vor mir sind Tausende von Mitbrüdern im Stillen gegangen. Ich will dagegen meiner Kirche nicht einfach den Rücken kehren, sondern all diejenigen ermutigen, die an eine lebendige Zukunft der Kirche glauben.
Mit herzlichem Gruß Wolfgang Eifler
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