OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Künstlerfilme aus der Zeit des Nationalsozialismus sind immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, steckt in ihnen doch meist die – natürlich auch auf den Führer zu münzende – Idee des Genies, das sich allen Widrigkeiten und Widerständen zum Trotz Bahn bricht und schließlich von der Öffentlichkeit auch als solches anerkannt wird. Ein Stück weit ist das auch in Hans Schweikarts „Befreite Hände“ (1939) nicht anders, in dem Brigitte Horney eine Schafe hütenden Friesin mit Talent für kleine Holzschnitzereien verkörpert. Nachdem ein berühmter Kunstprofessor sie hinreichend gefördert hat, emanzipiert sie sich von ihm und meißelt schließlich gewaltige Monumentalplastiken im Arno-Breker-Stil – was uns dann vermutlich auch noch mitteilen soll, dass die beste und „gesunde“ Kunst mitten aus dem einfachen Landvolk entsteht. Die Nazis vergaben das Prädikat „künstlerisch wertvoll“, heute kann man dem Ganzen immerhin ein gewisses handwerkliches Geschick sowie interessantes Zeitkolorit bescheinigen. (14. 3. Eva)
Ursprünglich für eine mehrteilige NDR-Naturfilmreihe über die Wildnis Russlands gedreht, hat der Regisseur Jörn Röver das in mehrjähriger Produktionszeit gesammelte Material von zehn Kamerateams letztlich zu dem Kinofilm „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ zusammengestellt. Die Bilder aus dem riesigen Land sind vielfältig und wirklich wunderschön: Da gibt es nordische Regionen mit Moschusochsen, Eisbären und Polarfüchsen, Wüstenregionen jenseits des Kaukasus, sowie die bizarre Unterwasserwelt des Baikalsees. Ertragen muss man allerdings die pompöse sinfonische Filmmusik, die vornehmlich auf die Überwältigung des Zuschauers setzt. (10.–11. 3. Union, 10.–11./13.–14. 3. Sputnik; 11.–12. 3. Kino Kiste)
Manch ein filmisches Werk avanciert zum Lieblingsfilm nicht etwa, weil es so makellos ist, sondern weil man gerade die Merkwürdigkeiten so deutlich erkennen kann. Bei mir gehört Fritz Langs monumentaler Abenteuer-Zweiteiler „Der Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“ dazu, den der Maestro 1958 für Artur Brauners CCC-Studios drehte. Auf den ersten Blick wirken die Filme spießig mit ihrer „Wir bringen den deutschen Fortschritt in die Wildnis“-Ideologie und dem tragikomisch in der Hauptrolle herumstolpernden Salonlöwen Paul Hubschmid, der den peinlichsten Abenteuerhelden jenseits von John Wayne als Dschingis Khan abgibt. Doch Langs Inszenierung des Eifersuchts- und Rachedramas ist bestechend intelligent: Während Joe May und Richard Eichberg, die den Stoff zuvor verfilmten, die indischen Paläste, Tempel und Pagoden vor allem als Schauwerte inszenierten, nutzt Lang die Architektur als dramaturgisches Element. Immer wieder beschreibt sie die Situation der Figuren – und wird von ihnen zur Durchführung ihrer Pläne benutzt. Doch letztlich scheinen sie sich alle förmlich im Raum zu verlieren: Nicht sie beherrschen die Architektur, sie werden von ihr beherrscht. (Der Tiger von Eschnapur 8. 3., Das indische Grabmal 9. 3., Zeughauskino) LARS PENNING