OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Von den Zeiten, als Adelige mit zu viel Geld einem mal eben eine Million in die Hand drückten, können Kulturschaffende heute nur noch träumen. Doch genau das passierte Luis Buñuel und Jean Cocteau im Jahr 1930: Viscount Charles de Noailles gab ihnen jeweils eine Million Franc zur Herstellung eines mittellangen Films und ließ ihnen bei der Gestaltung völlig freie Hand. Buñuel drehte daraufhin seinen skandalträchtigen surrealistischen Klassiker „L’âge d’or“, in dem er heftigst gegen die bürgerliche Moral, die Kirche und staatliche Autorität polemisiert. Auch der bis dato in Sachen Kinotechnik unbeleckte Cocteau schuf mit „Le sang d’un poète“ einen sehr persönlichen, schwer zu deutenden Film, der spielerisch mit den beständigen Motiven des Dichters und Malers umgeht: etwa dem Eintritt in eine andere Welt durch einen Spiegel, den zum Leben erwachenden Statuen, den Masken mit aufgemalten Augen und dem Stein im Schneeball. Interessant ist der Avantgardeklassiker auch wegen Cocteaus autodidaktischem Umgang mit der Tricktechnik des Kinos: Zum Beispiel erwecken gekippte Dekorationen den Eindruck, als ob die Protagonisten an den Wänden spazieren könnten. („L’âge d’or“, 7.–8. 1., „Le sang d’un poète“, 9.–10., 1. Arsenal)
Keinen Mäzen konnte hingegen Orson Welles aufweisen, er hatte es im Gegenteil stets sehr schwer, seine Filme zu finanzieren. Sein Spätwerk „F wie Fälschung“ (1973/75) ist dann auch ein aus verschiedenen Quellen zusammengebastelter, gleichwohl total faszinierender Essayfilm um das Thema der Täuschung. Welles verbindet darin Szenen einer Dokumentation von François Reichenbach über den Kunstfälscher Elmyr de Hory mit Szenen um den Hory-Biografen (und Howard-Hughes-Biografie-Fälscher) Clifford Irving und die Schauspielerin Oja Kodar. Der Regisseur selbst tritt in der Rolle eines Taschenspielers und Conférenciers in Erscheinung, der die Zuschauer immer wieder an der Nase herumführt – denn „fast jede Geschichte ist auch eine Lüge“, wie er anmerkt und uns dann immer wieder vorführt, wie leicht wir uns wider besseren Wissens hereinlegen lassen. (9. 1., Filmkunst 66)
Nichts falsch machen kann man mit dem Besuch eines Pixar-Animationsfilms: In „Die Monster AG“ karikiert Regisseur Pete Docter (der zuletzt bei „Oben“ Regie führte) unsere Arbeitswelt, in dem er sie in ein Paralleluniversum verlegt: Jenseits der Wandschränke, in denen die Kinder gruselige Spukgestalten vermuten, arbeiten Ungeheuer aller Art beim Versorgungsunternehmen Monsters, Inc., um Energie aus den Schreien der erschreckten Kinder zu gewinnen. Die Spitzenkraft der Firma ist James P. Sullivan, ein eigentlich eher gutmütiger behörnter Riese, der gemeinsam mit seinem Kumpel Mike alle Hände voll zu tun bekommt, als sich ein zweijähriges Mädchen ins Monsterreich verirrt. Irgendwie muss das „giftige Wesen“, vor dem die Monster eine Heidenangst haben, wieder zurück in seine eigene Welt – doch das ist bei einigen Millionen archivierter Wandschranktüren gar nicht so einfach. (13. 1., Filmmuseum Potsdam) LARS PENNING