OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Die eigene Person hat Volker Koepp aus seinen Dokumentationen zwar nie ganz herausgehalten, aber doch sehr an den Rand gerückt: Ein kleiner Kommentar hier, ein paar Fragen aus dem Off dort, das war meist alles, was man von ihm mitbekam. Dafür sprechen seine Filme, die von tiefem Interesse für jene Menschen geprägt sind, die Koepp überwiegend in den Landstrichen zwischen der Elbe und dem ehemaligen Ostpreußen porträtierte. In den Erzählungen aus ihrem Leben wird Geschichte lebendig, beschreiben die Brüche in den Biografien der Protagonisten doch auch die weltpolitischen Umwälzungen der letzten 70 Jahre: Krieg, Vertreibung, das Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft, der Kommunismus, die „Wende“, der Neuanfang im Kapitalismus und alle Probleme, die sich damit wiederum verbinden. Koepp interessiert sich für Migrationsbewegungen ebenso wie für das beharrliche Bleiben der Menschen, im weitesten Sinne geht es dabei stets um einen Heimatbegriff, der sich auch in den Landschaftsaufnahmen ausdrückt, die in seinen Filmen ebenfalls so wichtig sind. „Berlin – Stettin“ (2009) handelt nun erstmals auch vom Regisseur selbst, der 1944 in Stettin geboren wurde und in Berlin aufgewachsen ist. Doch einmal mehr ist das Patrouillieren entlang der eigenen Biografie nur ein Anlass, der zu (Wieder-)Begegnungen mit Menschen führt, deren Geschichten die bereits angerissenen Themen widerspiegeln: Eine Schulfreundin erinnert sich gemeinsam mit Koepp an die Ereignisse der Revolte vom 17. Juni 1953, und die unvergessenen Ex-Textilarbeiterinnen aus den „Wittstock“-Filmen erzählen von jüngsten Veränderungen in ihrem Leben und in ihrer Stadt. So wichtig wie die Erinnerung ist in Koepps Filmen aber auch der Ausblick auf kommende Zeiten. Das zeigt der Besuch bei zwei polnischen Studenten aus Stettin, die ganz selbstverständlich in Brandenburg wohnen: Der Zirkelschlag in die eigene Vergangenheit weist in die multinationale Zukunft der Region. (19./21./23. 3. Kino Krokodil)
Dazu passend hat das Brotfabrikkino einen 1990 für das Fernsehen entstandenen Koepp-Film ins Programm genommen: Die Dreharbeiten zu „Arkona, Rethra, Vineta – Eine Reise zu versunkenen Orten“ begannen 1989 noch zu DDR-Zeiten als Dokumentation über mythische und versunkene slawische Handelsplätze des Mittelalters, die man an der vorpommerschen Küste vermutet. Tatsächlich ist das Thema jedoch eher ein Vorwand für Koepp, sich der damaligen Realität anzunähern, der direkten Vorwendezeit im Nordosten der DDR. Ihm geht es um die Lebensumstände von Fischern, Pfarrern und Archäologen und darum, was sie 1989 bewegte: eine Heringsabsatzkrise, fehlendes Umweltbewusstsein bei den Behörden, Mangelwirtschaft sowie eine allgemeine Unzufriedenheit, der man jedoch mit norddeutschem Stoizismus begegnet. Am Ende des Films gehört dann auch die DDR zu den versunkenen Orten, ein Umstand, den Koepps Protagonisten ohne Jubel, aber mit zögerlichem Optimismus quittieren. (22.–24. 3. Brotfabrik) LARS PENNING