OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Um die Schweizer Kunst geht es in dem Arsenal-Filmprogramm „Swiss Made: Präzision und Wahnsinn“, das die gleichnamige Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg (bis 24. Juni) begleitet. Teil des Arsenal-Programms ist Peter Liechtis interessante (und erheiternde) Dokumentation „Signers Koffer“, die sich mit dem Schaffen des in der Tschechoslowakei geborenen und in der Schweiz lebenden und arbeitenden Aktionskünstlers Roman Signer befasst. Signers Werke stehen zumeist in einer spannenden Beziehung zu Landschaften in aller Welt: So schießt er etwa Bänder über den Stromboli, oder er beschallt die isländische Natur mit seinem Schnarchen. Eine auch ästhetisch wirklich verblüffende Aktion gelingt ihm ebenfalls in Island: Da lässt er einen in vier Blecheimer gestellten Tisch auf einem glasklaren See treiben und stellt sich dazu vor, wie dieser Anblick zum Ausgangspunkt einer neuen nordischen Sage werden könnte. Glücklicherweise nimmt sich der Künstler (zumindest im Film) selbst nicht allzu ernst, behauptet gar, er schäme sich seiner Aktionen so sehr, dass er sie möglichst ohne Publikum durchführe und hinterher immer schnell verschwinde. Aber es gibt ja Liechtis Film: Wie sich Signer mit einer Rakete die Mütze vom Kopf schießt und wie er seine Gummihose so lange voll Wasser laufen lässt, bis er umkippt, ist unvergesslich. Der titelgebende Koffer wird übrigens von einer ziemlich hohen Brücke ins Tal geworfen.
Zu Beginn seiner Karriere hatte Harold Lloyd noch Chaplin imitiert: Lonesome Luke hieß der Tramp, den Lloyd in den Jahren 1916/17 in einer erfolgreichen Reihe von Kurzfilmen für das Studio des Produzenten Hal Roach verkörperte. Seinen eigenen Stil entwickelte Lloyd erst gegen Ende der 10er-Jahre, als er sich vom Typ des Verlierers verabschiedete und fortan als urbaner junger Mann auftrat, zu dessen Markenzeichen die kreisrunde Brille und der Strohhut wurden. Jetzt waren Lloyds Protagonisten von einem unerschütterlichen Optimismus und dem Glauben an den „amerikanischen Traum“ geprägt: Der gesellschaftliche Aufstieg wird zum Ziel. „Safety Last“ repräsentiert im Werk von Harold Lloyd den gelungenen Versuch, die Gags stärker als zuvor mit der gesamten Handlung zu verzahnen, wenngleich man die Unterteilung des Films in drei große Segmente noch deutlich bemerkt. Die nahezu zwanzigminütige Sequenz am Ende, in der Harold als Werbegag die Fassade des Kaufhauses erklimmt, gehört zu den schönsten des Komikers und ist kameratechnisch derart geschickt aufgenommen, dass man ihn tatsächlich in höchster Gefahr vermutet. Zudem haben sich Lloyd und seine Autoren dafür eine Unmenge von Gags ausgedacht, sodass ihn mit jedem Stockwerk neue witzige Herausforderungen erwarten: Tauben umflattern ihn, ein Fahnenmast knickt ab, eine Maus läuft in sein Hosenbein. Doch er übersteht alle Gefahren, und so endet „Safety Last“ mit einem exzellenten Sinnbild für Harolds „Aufstieg“: Die erfolgreiche Kletterpartie endet in den Armen seiner Freundin und wird ihm eine reiche Belohnung des Chefs einbringen. LARS PENNING