OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Wie dreht man einen Silhouettenfilm? Die deutsche Regisseurin Lotte Reiniger hat es immer wieder gern erklärt: Man benötigt einen Tisch mit einer eingelassenen Glasplatte, die man von unten her beleuchten kann und über der senkrecht eine Kamera mit Einzelbildschaltung angebracht wird. Nachdem der Handlungsablauf des Films in einem detaillierten Storyboard festgelegt worden ist, werden die Figuren als Silhouetten ausgeschnitten und in einzelne Glieder zerlegt. Als Material wird mittelstarke Pappe und dünnes Blei verwendet, das für genügend Gewicht sorgt, damit die Figuren auf dem Tricktisch nicht verrutschen. Abschließend verbindet man die einzelnen Glieder der Figuren durch dünnen Draht miteinander. Nun können die Charaktere auf dem Tricktisch bewegt werden. Reiniger verwendete diese Technik seit 1919 für kurze Märchenfilme wie „Aschenputtel“ und „Dornröschen“, ehe sich ihr 1923 durch den Potsdamer Bankier und Mäzen Louis Hagen die Möglichkeit eröffnete, den vermutlich ersten abendfüllenden Animationsfilm der Filmgeschichte zu inszenieren. Drei Jahre arbeitete Reiniger, assistiert unter anderem von ihrem Ehemann Carl Koch und dem Maler Walther Ruttmann, an „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“: Da schwebt Prinz Achmed mit einem Zauberpferd durch die Lüfte, streitet mit einem bösen afrikanischen Zauberer und befreit die schöne Pari Banu aus der Hand der Dämonen von Wak-Wak. Um Achmeds Abenteuer in Bewegung zu versetzen, bedurfte es für den knapp 70-minütigen Film rund 100.000 einzeln animierter Silhouettenbilder.
Der große Lino Ventura ist nun auch schon 20 Jahre tot. Anlass genug, ihm eine kleine Filmreihe im Central zu widmen: Zu den schönsten Filmen des Mannes mit dem kantigen Gesicht gehört Robert Enricos „Die Abenteurer“ (1966), eine melancholisch-abenteuerliche Dreiecksgeschichte zwischen der Künstlerin Laetitia (Joanna Shimkus) und den Freunden Roland (Ventura), einem Mechaniker, und Manu (Alain Delon), einem Flieger. Doch all die Träume und Unternehmungen der Protagonisten gehen schief, sie scheitern sowohl mit ihren Herzensprojekten als auch mit einer Schatzsuche in Afrika. „Die Abenteurer“ ist ein schönes Werk über Freundschaft, Freiheit und Lebenslust – auch wenn am Ende nur Roland mit dem Leben davonkommen wird.
1987 begleitete der Filmemacher Thomas Heise die Proben von Heiner Müllers Stück „Der Lohndrücker“ am Deutschen Theater mit der Kamera und montierte das Material später zu der Doku „Der Ausländer“. Mit der Neuinszenierung seines Stücks aus dem Jahr 1956 kommentiert Müller die Aufbruchstimmung in den sozialistischen Ländern, der sich die SED-Führung damals nach wie vor verweigerte: Die Geschichte vom Arbeiter, der einen industriellen Arbeitsablauf revolutioniert und dabei auf Widerstände stößt, ist also auch eine Parabel. Faszinierend wird es, wenn Müller selbst vor der Kamera agiert und seine scharfsinnigen Überlegungen voller Ironie zum Besten gibt. Bei der Heise-Retrospektive im Zeughaus zu sehen. LARS PENNING
„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, 23. 10. im Babylon Mitte
„Die Abenteurer“, 22. 10. im Central
„Der Ausländer“, 21. 10. im Zeughauskino