: OECD kritisiert deutschen Luxus
■ Pessimistische Prognose für Deutschlands Wirtschaft
Paris (AFP/taz) – Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die Aussichten der deutschen Wirtschaft äußerst pessimistisch ein. Die Gutachter dieses Beratungsgremiums der Industriestaaten erwarten in ihrem Jahresbericht Deutschland 1993 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,9 Prozent und für 1994 eine schwache Zunahme von 1,4 Prozent. In den alten Bundesländern wird das Bruttoinlandsprodukt den Schätzungen zufolge in diesem Jahr um 2,4 Prozent zurückgehen und 1994 nur um ein Prozent zunehmen. Die sonst wegen ihres Zweckoptimismus berühmten OECD-Experten malen damit diesmal schwärzer als die meisten deutschen Gutachten.
Die OECD kritisiert in dem Bericht auch die finanziellen Entscheidungen der Bundesregierung in bezug auf die deutsche Vereinigung. Die wirtschaftspolitischen Instrumente seien schlecht oder zu spät eingesetzt worden. So sei versäumt worden, „wenig effiziente Ausgaben“ zu kürzen wie die Subventionen für die Industrie, „ein Luxus, den sich das Land kaum mehr leisten konnte“.
Deutschland hätte eine D-Mark-Aufwertung in Erwägung ziehen und seine Haushaltspolitik früher straffen müssen. Die Bundesregierung habe „die Kosten der Vereinigung unterschätzt“ und ihre Haushaltspolitik nur zögernd angepaßt. 1992 habe Deutschland 99,08 Milliarden Mark Zinsen für öffentliche Schulden gezahlt – 57,1 Prozent mehr als 1990.
Die OECD-Experten sind der Meinung, der Staat hätte als „faktischer“ Eigentümer der Unternehmen der einstigen DDR bei den Tarifverhandlungen in den neuen Bundesländern intervenieren müssen. Auch seien öffentliche Zuschüsse „leichtfertig“ ohne angemessene Vergabekriterien Betrieben gewährt worden, „die außerstande waren, sich aus eigener Kraft auf dem Markt zu halten“.
Von der Bundesbank fordert die OECD Zinssenkungen. Niedrigere Zinsen würden sich positiv auf die wirtschaftliche Aktivität von Deutschlands Handelspartnern auswirken.
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