OECD-Studie in den USA: Wenig Geld ist ein Todesurteil
Rund 15 Prozent aller US-Bürger sind arm. Das sind so viele wie noch nie seit Beginn der Messungen, so der OECD-Bericht. Verlierer ist die Mittelschicht.
WASHINGTON taz | "Die Armutskrise ist eine der größten moralischen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes", erklärte der unabhängige Senator des Bundesstaates Vermont, Bernie Sanders. Die Armut durch die von der Finanz- und Immobilienkrise ausgelöste Rezession komme für viele US-Bürger einem Todesurteil gleich. Nach wie vor könnten sich nämlich 49,9 Millionen Amerikaner keine Krankenversicherung leisten." Nach einer Studie der Harvard-Universität stirbt deshalb alle zwölf Minuten ein Mensch in den USA.
Vor allem die verbreitete Armut unter Kindern sei alarmierend, so Sanders. Nach einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche und Entwicklungszusammenarbeit (OECD) leben 21,6 Prozent aller US-amerikanischen Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Als arm gilt in den USA eine vierköpfige Familie, die im Jahr weniger als umgerechnet rund 16.290 Euro zur Verfügung hat. Am Schlimmsten betroffen sind nach der Statistik Afroamerikaner, gefolgt von der hispanischen Bevölkerung des reichsten Landes der Welt. So seien 2009 doppelt so viele schwarze Kleinkinder gestorben wie weiße.
Die Armut habe noch andere ernsthafte Auswirkungen, meint der linke Politiker Sanders. So gehe die Lebenserwartung für Frauen mit niedrigem Einkommen bereits in deutlich über 300 Landkreisen der USA zurück, während Besserverdiener im Schnitt sechseinhalb Jahre länger lebten als Menschen mit geringerem Einkommen.
Als einen der Gründe führen Wirtschaftsexperten an, dass die amerikanische Mittelschicht allmählich ausstirbt. So sei das durchschnittliche Nettoeinkommen amerikanischer Familien in den vergangenen zwei Jahren um 26 Prozent gesunken, berichtete das Wall Street Journal. Während eine Durchschnittsfamilie heute preisbedingt lediglich elf Prozent mehr verdient als 1980, sind die Verbraucherpreise um rund 155 Prozent gestiegen.
Das Durchschnittseinkommen einer Familie ist, in Relation zur Inflation, geringer als 1998. Das, so das Wall Street Journal, habe bereits Auswirkungen auf die Vermarktung einzelner Produkte. Konzerne wie Procter & Gamble hörten etwa auf, Produkte für die Mittelklasse zu vermarkten. Sie richteten ihr Angebot stattdessen an ganz Reiche oder Arme. Andere Unternehmen folgten diesem Trend bereits.
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