OBAMA IST FÜR ANGELA MERKEL KEINE BELASTUNG MEHR : Ende der Verrenkungen
Das wichtigste Resultat, das die deutsche Kanzlerin von den Gipfeltreffen der letzten Tage mitnehmen konnte, lässt sich in keinem Abschlussprotokoll nachlesen. Am Ende kam es nicht auf den Kampf gegen Steueroasen an oder auf die Bestallung eines neuen Nato-Generalsekretärs, sondern auf die harmonischen Bilder aus dem sonnigen Baden-Baden, die das Ehepaar Merkel/Sauer in trauter Eintracht mit dem Ehepaar Obama zeigten.
Bis vor kurzem sah es so aus, als habe Angela Merkel mit der neuen US-Regierung ein Problem. Zu eng schien sie mit Barack Obamas Amtsvorgänger verbandelt. Habituell verkörperte sie den Gegensatz zum neuen Popstar der Weltpolitik so sehr, dass selbst Parteifreunde mehr visionäre Kraft von ihr forderten. Dann verweigerte Merkel dem Kandidaten Obama auch noch den Wahlkampfauftritt am Brandenburger Tor. Damit verstärkte sie den Eindruck, sie habe vor dem Mann irgendwie Angst.
Die Sozialdemokraten frohlockten bereits; Frank-Walter Steinmeier flog nach der US-Wahl eilends zum Fotoshooting mit Amtskollegin Hillary Clinton nach Washington. Aber die Rechnung ging nicht auf. Nicht nur weil auch Steinmeier nicht das Charisma von Obama oder Clinton besitzt. Seine Chancen auf Bildtermine mit dem Präsidenten sind schon aus protokollarischen Gründen begrenzt. In den wenigen Sachfragen, in denen Merkel mit dem Amerikaner uneins ist, wird er sich wohl kaum profilieren können. Oder will die SPD weitere Soldaten nach Afghanistan schicken?
Für Merkel dagegen bietet der Präsidentenwechsel die Chance, die außenpolitischen Verrenkungen der Bush-Jahre endlich vergessen zu machen. Jahrzehntelang war die transatlantische Freundschaft für die CDU ein Identitätsthema gewesen. Was nicht ausschloss, dass sich Konservative alter Schule den Amerikanern stets kulturell überlegen fühlten. Auf beiden Gebieten ist die Union wieder mit sich im Reinen. Sie hat jetzt einen US-Präsidenten, den sie mögen darf – und der von den Europäern sogar lernt. Dass er parteipolitisch auf der anderen Seite steht, zählt in der Diplomatie wenig. Auch wenn die Außenpolitik die Wahl nicht entscheiden wird: Seit dem Wochenende hat Merkel ein Problem weniger. RALPH BOLLMANN