Nutzerinfos nur 90 Tage gespeichert: Yahoo wird Datenschutzprimus
Während Google alle Suchdaten ganze neun Monate speichert, weil das angeblich technisch notwendig ist, will Yahoo Nutzerinfos künftig nach 90 Tagen anonymisieren. Doch reicht das?
Die Nutzer vertrauen Suchmaschinen ihre innersten Wünsche an. Fast jeder Ausflug ins Internet beginnt mit der Eingabe eines Begriffes bei Google, Yahoo, Microsoft und Co. - egal ob es nun um das Auffinden des passenden Weihnachtsgeschenkes für Oma, aktuelle Infos zum neuesten James Bond-Streifen oder deutlich intimere Dinge wie die Suche nach einem verschollenen Familienmitglied oder das Abklären von Krankheitssymptomen geht. Dabei ist den wenigsten Usern bewusst, dass all diese Suchanfragen monatelang gespeichert werden und über die Internet-Adresse (IP) zumindest teilweise rückverfolgbar sind. Mit der aus vier Ziffern bestehenden Nummer könnte man, wenn man eine Behörde oder ein Zivilrechtsanwalt mit richterlicher Genehmigung ist, beim Online-Provider die dahinterstehende Person erfragen, was dank Vorratsdatenspeicherung inzwischen sechs Monate lang möglich ist.
Die Suchmaschinen betonen, sie selbst hätten nicht die Möglichkeit, Nutzer hinter IP-Nummern zu identifizieren, deshalb handele es sich auch nicht um personenbezogene Daten. Google nutzt dies beispielsweise als Begründung, alle bei dem Internet-Riesen getätigten Suchanfragen neun Monate lang abzulegen. Das sei notwendig, um die "technische Qualität zu sichern" sowie "neue Innovation" hervorbringen zu können, die auch frühere Nutzeraktionen einbezögen.
Der Internet-Portalanbieter Yahoo zeigt nun, dass die Speicherwut anscheinend doch nicht so ausufernd sein muss. Das Unternehmen, das zu den wichtigsten fünf Web-Angeboten der Welt gehört, kündigte an, seine eigene Ablegefrist von derzeit 13 Monaten auf drei zu kürzen. "Diese neue Politik ergab sich aus einer Abwägung, wie lange Yahoo diese Daten für sein Geschäft braucht", sagte Anne Toth, für Datenschutzangelegenheiten bei dem Konzern zuständig, "gleichzeitig wollten wir das Vertrauen unser Nutzer in uns stärken". Ganz ohne Druck dürfte die Entscheidung allerdings nicht gefallen sein. So erreichten europäische Datenschützer bereits, dass Google seine Suchfrist von 18 auf neun Monate absenkte - auch wenn das Unternehmen angibt, dies freiwillig getan zu haben.
Neben Suchanfragen will Yahoo auch auf dem Portal die Logdaten zu abgefragten Seiten, angeklickten Links und angezeigten Werbebannern entfernen. Simon Davies, Chef der Netzbürgerrechtsorganisation "Privacy International", fühlte sich gegenüber der britischen "BBC" in seiner Haltung bestätigt, dass die Speicherwut unnötig sei. "Verwunderlich ist nur, dass erst im letzten Jahr noch die Aussage galt, dass die Firmen die Daten mindestens 15 Monate vorliegen haben mussten. Die Logik von Yahoos Entscheidung zeigt nun, dass es überhaupt keinen Grund gibt, nicht noch früher zu löschen." Die Industrie solle sich überlegen, ob drei Monate nicht noch zu viel seien. "Die Leute sollten verlangen, das bereits nach 30 Tagen alle Informationen entfernt werden." Das müsse so schnell wie möglich geschehen, aktuelle Datenschutzskandale zeigten, dass es notwendig sei.
Gelöscht wird allerdings nun auch bei Yahoo nicht ganz. Ebenso wie Google will der Portalkonzern die Daten nur "anonymisieren", also die Zuordnung von Suchanfragen zu IP-Adressen jeweils erschweren. Einige Experten halten das für nicht ausreichend. So werden bei Google nur Teile der IP-Adresse verändert, so dass zumindest Rückschlüsse auf den Netzabschnitt (etwa eine Firma) gezogen werden können, aus denen die Suchanfrage kam. Der Vorteil für die Suchkonzerne: Sie können nach außen angeben, sie hätten ihre Logdateien anonymisiert, können sie intern aber trotzdem weiterverwenden, um beispielsweise ihre Algorithmen zu verbessern oder nachzumessen, welche Platzierung von Werbung am profitabelsten ist. Davies hält das für problematisch. "Je kürzer Daten online sind, desto weniger Risiken gibt es, dass böswillige Firmen gefährlich umfangreiche Profile über Nutzer anlegen können." Tatsächlich ergibt sich aus einer Google-Suchhistorie ein erstaunlich dichtes Bild über eine Person - denn wie schon anfangs erwähnt: Wir tippen unsere innersten Wünsche ins Suchfeld.
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