: Nur noch zwölf Jahre fürs Abitur?
■ Möllemann liebäugelt mit Verkürzung der Schulzeit / Befürchteter Qualitätsverlust könne durch mehr Gymnasien als Ganztagsschulen ausgeschlossen werden / Bildungsrat tagte in Berlin mit DDR-Minister Meyer
Berlin (dpa/taz) - Die in der DDR übliche Schulzeit von zwölf Jahren bis zum Abitur soll nach Empfehlung von Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann (FDP) nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten auch von den bundesdeutschen Schulen übernommen werden. Die anstehende Bildungsreform in der DDR könne so auch Auswirkungen auf das Bildungssystem in der Bundesrepublik haben, erklärte er nach dem Treffen des von ihm einberufenen Bildungsrates am Pfingstwochenende. Der befürchtete Qualitätsverlust könne dadurch ausgeschlossen werden, daß mehr Gymnasien als Ganztagsschulen eingerichtet werden. Dies sei, mit Blick auf die zunehmende Berufstätigkeit beider Elternteile, ohnehin unvermeidlich. Der Besuch einer Ganztagsschule sollte allerdings nicht zur Plficht gemacht werden.
Bei der Tagung des „Bildungsrates beim Bundesbildungsministerium“ ließen sich die darin vertretenen Wirtschaftskapitäne, Bildungspolitiker und -journalisten von DDR-Bildungsminister Hans Joachim Meyer über die drängendsten Probleme an den Schulen und Universitäten zwischen Rostock und Chemnitz informieren. Vor allem die Abwanderung hochqualifizierter Akademiker in die Bundesrepublik macht der DDR Sorgen.
Die Frage, ob das DDR-Schulmodell Abitur mit Berufsausbildung auch im vereinigten Deutschland Bestand haben wird, wurde allerdings nicht behandelt. Meyer will keine bildungspolitischen Richtlinien verhängen - er sieht sich ohnehin nur als Übergangsminister. Wenn die fünf neuen Bundesländer auf dem Boden der DDR gegründet sind, wird ihnen - wie auch in der BRD - die bildungspolitische Hoheit übertragen. Wie berichtet, drängt Meyer jedoch auf eine Sicherung der Betriebsschulen in der DDR und will die bisherigen VEBs und Kombinate nicht aus der Verantwortung entlassen, zumindest den momentan in der Ausbildung Stehenden einen regulären Abschluß zu ermöglichen. Im Bonner Bildungsministerium schätzt man jedoch die Chancen für Meyers Vorhaben, DDR-Unternehmen auf juristischem Wege zur weiteren Unterhaltung der Betriebsschulen zu zwingen, nicht sonderlich groß ein.
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