Nur noch Taschengeld

Das „Asylbewerberleistungsgesetz“ diskriminiert Flüchtlinge und kommt Gemeinden teuer zu stehen  ■ Von Frank Thewes

Saarbrücken (taz) – Ab heute erhalten Asylbewerber grundsätzlich keine Sozialhilfe mehr. Statt dessen gilt für sie künftig ein spezielles „Asylbewerberleistungsgesetz“. Nach den Vorschriften dieser Ausgeburt des Bonner Asylkompromisses sollen bundesweit nur noch Sachleistungen sowie ein monatliches Taschengeld von 40 Mark für Kinder und 80 Mark für Erwachsene gewährt werden. Damit, so Pro-Asyl-Sprecher Herbert Leuninger, „wird der Asylbewerber als Mensch zweiter Klasse definiert, der hauptsächlich des Geldes wegen in die Bundesrepublik kommt, den Sozialstaat ausnimmt und die Bundesrepublik wirtschaftlich überfordert“.

Nur unter „besonderen Umständen“ sieht das Gesetz statt Sachleistungen, Wertgutscheinen „oder anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen“ auch die Auszahlung von Geld vor. Die entsprechenden Sätze liegen bis zu einem Drittel unter der bereits kargen Sozialhilfe. So gibt es für den „Haushaltsvorstand“ statt bisher 509 nur noch 360 Mark. Die Leistungen für Flüchtlinge sinken damit nach Meinung von Verfassungsrechtlern „unter die in der Bundesrepublik geltende Armutsgrenze“. Pro Asyl sieht weitere Grundrechte verletzt. So gefährde die im Gesetz vorgesehene medizinische Minimalversorgung das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Außerdem, so Sprecher Leuninger, werde die bisher bereits restriktive Lagerunterbringung noch „durch Arbeitszwang ergänzt“: Für eine „Aufwandsentschädigung von 2 Deutsche Mark je Stunde“ (Gesetzeswortlaut) sollen „arbeitsfähige Leistungsberechtigte“ zu Arbeiten verpflichtet werden.

Hilfsorganisationen befürchten vor allem durch das nun flächendeckend vorgeschriebene Sachleistungsprinzip fatale Folgen für die Flüchtlinge. Auf eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung müßten die Betroffenen verzichten. Da Wertgutscheine in der Regel für bestimmte Läden gelten, ist ein preisvergleichender Einkauf nicht möglich.

Dieses vielerorts bereits praktizierte Gutschein-System schürt nach Einschätzung von Herbert Leuninger die Fremdenfeindlichkeit, „wenn dann die umständliche Einlösung an der Kasse den Unmut der Kassiererinnen und der wartenden Kunden weckt“. Falls in Ausnahmefällen doch Geld an Asylbewerber ausgezahlt wird, soll dies laut Gesetz nur persönlich und in bar erfolgen. Damit ist aber selbst der offiziell angeführte Einspar- und Abschreckungseffekt fraglich, wie entsprechende Erfahrungen im Saarland zeigen.

Dort hat die Landesregierung bereits zu Jahresbeginn die Städte und Gemeinden angewiesen, Sozialhilfe an Asylbewerber einmal pro Woche bar auszuzahlen, um so den angeblich massenhaften Mißbrauch einzudämmen. Doch statt der erhofften Einsparungen durch die „Enttarnung von Sozialbetrügern“ stieg der Verwaltungsaufwand der Kommunen. „Ein Schuß in den Ofen“, bilanziert der Saarbrücker Sozialdezernent Dieter Schwan (SPD), „es macht nur Arbeit und bringt nichts.“ Für das aufwendigere Verfahren braucht die Stadt nach einer Schätzung von Schwan drei bis vier Leute zusätzlich. „Ein realitätsfernes System, das, was mich besonders nervt, eine ganze Gruppe pauschal in Verruf bringen soll.“

Auch beim nun geltenden Asylbewerberleistungsgesetz haben Spötter den Grundsatz ausgemacht: „Hier wird abgeschreckt und eingespart, koste es, was es wolle.“ So nimmt die im Gesetz vorgeschriebene Gemeinschaftsverpflegung in der Regel keine Rücksicht auf besondere Eßgewohnheiten. Die „zentrale Fremdversorgung“ ist nach Einschätzung von Pro Asyl wegen des höheren Verwaltungsaufwandes aber auch wesentlich teurer als „dezentrale Unterbringung mit Selbstversorgung“.

Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz hat die Bundesrepublik erstmals eine Gruppe von Menschen aus dem allgemeinen Sozialhilfe-Recht herausgenommen. Das Gesetz, warnt Pro-Asyl- Sprecher Herbert Leuninger, „hat die Möglichkeit eröffnet, weitere Gruppen der Bevölkerung aus der einheitlichen Grundsicherung menschlicher Existenz auszuschließen“.