Nur der Rohstoff- und Energielieferant: Fortsetzung des Kolonialismus
Auch die linken Regierungen Lateinamerikas setzen auf die Ausbeutung der Rohstoffe. Auf die Umwelt wird keine Rücksicht genommen.
QUITO taz | "Ob in Brasilien, Chile oder Venezuela, die regierende Linke ist archaisch", sagt Marcelo Calazans von der brasilianischen Umweltorganisation Fase. Er ist Teilnehmer eines Treffens von NGOlern, Indígenas und Basisaktivisten, das vom Oilwatch-Netzwerk in Quito organisiert wurde. Calazans gibt sich keinen Illusionen über einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" hin.
Zu übermächtig scheint die Fixierung auch der fortschrittlicheren Regierungen Lateinamerikas auf eine krude kapitalistische Wirtschaftsweise, die - in Fortschreibung kolonialer Arbeitsteilung - die Länder des Südens auf ihre Rolle als Rohstoff- und Energielieferant festschreibt. Der größte Unterschied zu ihren neoliberalen Vorgängerregierungen liegt in der gestärkten, manchmal übermächtigen Rolle, die sie dem Staatsapparat in der Wirtschafts-, aber auch in der Sozialpolitik zuschreiben.
Auch Boliviens linker Präsident Evo Morales ist völlig in dieser Logik gefangen: Im Juni begann das bolivianisch-venezolanische Staatskonsortium Petro Andina im Territorium der Mosetene-Indianer mit der seismischen Exploration. Ohne jegliche Absprache mit den Einheimischen werde mit Dynamitladungen nach Erdöl gesucht, beschreibt der Priester Daniel Gagasi aus der Gemeinschaft Simay eindringlich: "Die Tiere verschwinden, man hat unsere Nachbarn eingekauft und gegen uns aufgehetzt."
Im Norden Perus fördert der brasilianische Bergbaukonzern Vale Phosphat und lässt die Bevölkerung durch paramilitärische Gruppen einschüchtern - "nach kolumbianischem Vorbild", berichtet der bekannte Aktivist Marco Arana. Ihm selbst brachte sein Einsatz als Anführer friedlicher Proteste gegen den US-Multi Newmont Mining, der bei Cajamarca die riesige Goldmine Yanacocha betreibt, Bespitzelung und Todesdrohungen ein.
Auch nach dem Massaker an den Amazonasindianern bei Bagua im vergangenen Juni hält der rechte peruanische Staatschef Alan García an seiner Strategie des Ausverkaufs fest, erläutert der Indígena Zebelio Kayap. Bereits 72 Prozent des peruanischen Amazonasgebiets seien in den letzten Jahren über Konzessionen für die Erdölförderung freigegeben worden.
In Chile wehren sich die Mapuche-Indianer gegen große Forstbetriebe, in der argentinischen Provinz Neuquén gegen Ölfirmen. Im Gegenzug werden sie als Terroristen und Drogenhändler kriminalisiert.
Angesichts dieses bedrückenden Panoramas scheint der vielbeschworene Übergang zu einem Post-Erdöl-Zeitalter noch in weiter Ferne, zumal die Regionalmacht Brasilien mit ihren Konzernen und Banken kaum weniger "imperialistisch" agiert als ihre Pendants aus dem Norden. So forciert Brasília in ganz Lateinamerika und der Karibik den Anbau von Agrotreibstoffen, vor allem von Zuckerrohr. Dass dies auf Kosten des Lebensmittelanbaus durch kleinbäuerliche Betriebe geht, nimmt Präsident Lula da Silva in Kauf.
Fundamentalopposition zu den linken Regierungen sei dennoch der falsche Weg, warnt Marco Arana: "Wir müssen den Dialog mit den Regierungen organisieren", fordert der Priester, der in Peru seit Kurzem mit einer neuen Partei auf eine Präsidentschaftskandidatur hinarbeitet.
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