■ Norwegisches Parlament verbietet Reklamekampagne: Unterwäsche verkehrsgefährdend
Oslo (taz) – Anna Nicole Smith ist verkehrsgefährdend und verstößt gegen § 33 der Straßenverkehrsordnung. Dies hat Norwegens Parlament am letzten Dienstag mehrheitlich beschlossen. Aus Furcht, norwegische Autofahrer könnten bei ihrem Anblick die Gewalt über das Steuer ihres Autos verlieren und Massenkarambolagen verschulden, wird die Straßenbehörde nun Frau Smith landesweit überkleben.
Die Frau, die in der Modellbranche – mal wieder – je nachdem als neue Jane Mansfield oder Marilyn Monroe gilt, sollte für die Textilkette Hennes & Mauritz (H&M) in Norwegen das aktuelle Unterwäscheangebot für das Weihnachtsgeschäft präsentieren. Doch was in Schweden und Dänemark ungestört seit Ende November an den Litfaßsäulen hängt – und vermutlich bis Weihnachten auch hängenbleiben darf – gilt im Nachbarland als zu starker Tobak.
Die weihnachtliche Unterwäschekampagne von Hennes & Mauritz hat in den letzten Jahren regelmäßig Aufsehen erregt. Unterwäsche ist traditionell ein beliebter Geschenkartikel, und im Gegensatz zur üblichen Reklame der Branche, die sich in erster Linie an Frauen selbst wendet, richtet sich die alljährliche millionenschwere weihnachtliche Plakatkampagne an die männlichen Geschenkekäufer. Oder wie die Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter über die „Lustbraut des Jahres“ schreibt: „Alle Weihnachtsmänner sollen so geil werden, daß sie den Stütz-BH gleich für die Weihnachtsfrau kaufen.“ Waren in den letzten Jahren mehr schlanke bis dünne Modelle, wie Cindy Crawford und Naomi Campbell, Objekte der Begierde erweckenden Reklamekampagnen gewesen, holte Hennes & Mauritz das diesjährige etwas fülligere Modell Anna Nicole Smith direkt von Playboys Ausklappseite, wo sie als „Playmate of the Year“ eingeschlagen war.
Anette Pagmén, schwedische Reklamechefin von H&M, treuherzig: „Wir haben sie wegen ihres Gesichts ausgewählt.“ Außerdem habe man sich nicht wieder vorwerfen lassen wollen, mit extrem schlanken Modellen junge Mädchen zu krankhaftem Hungern verführen zu wollen. Und schließlich: „Ich wüßte nicht, wie man Unterwäsche anders angemessen präsentieren sollte als mit Modellen.“ Wohl wahr. Nur ob dieses Modell unbedingt rücklings daliegen und mit halb geöffnetem Mund die Beine in den Plakathimmel strecken muß, fragen sich nicht nur verschiedene Frauengruppen, die zu einem Kaufboykott bei H&M im Dezembermonat aufgerufen haben. Norwegens Gleichberechtigungs-Ombudsfrau Ingse Stabel: „Das füllige und leichtbekleidete Modell Anna Nicole Smith stellt Frauen auf kränkende und herabsetzende Weise dar.“ Die Reklame sei traditionelles Pin-up und gehe weit über das Akzeptable hinaus.
Hennes & Mauritz hat auch ein männliches Modell in der Kampagne. Der muskulöse Schwede Marcus Schenkenberg posiert in knappen Boxershorts in Richtung Zielgruppe Weihnachtsfrau und hat weniger am Leibe als sein weibliches Pendant. Er sei „nicht anstößig“, meint Ombudsfrau Stabel. Ein Urteil, das offenbar selbst das norwegische Parlament bezüglich seines verkehrsgefährdenden Potentials bei Autofahrerinnen teilt. Er darf nämlich an Norwegens Straßenrändern hängenbleiben. Gegen Frau Smith wurden Norwegens Straßenmeistereien am vorigen Mittwoch aktiv. Soweit noch Plakate übriggeblieben waren: Nach Bekanntwerden des Parlamentsbeschlusses hatte ein regelrechter Run eingesetzt. Souvenirjäger versuchten landesweit jedes zugängliche Plakat abzulösen und für den Partykeller zu retten. Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen