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Archiv-Artikel

Normalzeit HELMUT HÖGE über Altenheime

„Too old to die young!“ (taz-Motto)

Anfang der 80er-Jahre besuchte mich Holger Klotzbach auf dem Land. Er tourte damals mit der linken Kabarettgruppe Die 3 Tornados, und sie befanden sich gerade in der Nähe. Heute betreibt er die Bar jeder Vernunft und das Tipi am Kanzleramt. Von dem Gewinn daraus hat er sich mit seinem Freund eine „Hütte“ in Lüchow-Dannenberg angeschafft. Damals wollte er mich überreden, den Verwalter eines „Tornado-Altersheims“ zu spielen, das sie sich erst noch anschaffen wollten – in Lüchow-Dannenberg. Da könnte ich mich doch dann um den Garten kümmern und auch ein paar Tiere halten, meinte Holger.

Die Idee einer Seniorenkommune fand ich gut, dort den Hausmeister zu spielen allerdings weniger. So eine ähnliche Kommune gab es auch in Bremen, wo der Anwalt Heinrich Hannover und der Radio-Bremen-Intendant Gert von Paczensky mit noch ein paar anderen in einem Haus zusammenlebten.

In der taz ging derweil der erste Mitarbeiter in Rente – Amos Wollin in Tel Aviv –, und die Zeitung räumte ihm eine Art Spontan-Betriebsrente ein.

Ansonsten überließ man das Problem der Überalterung jedoch der kapitalistischen Dynamik, indem einerseits die meisten Redakteure noch vor ihrem Burn-out weiterwanderten (zu anderen Zeitungen) und andererseits die Geschäftsleitung den Mitarbeitern „Friedels Fairsicherung“ nahe legte, das heißt irgendwelche Zusatzaltersversicherungen über einen alternativen Versicherungsmakler namens Friedel. Einige müssen auf dessen Offerten auch eingegangen sein, denn ein taz-Mitarbeiter klagte neulich laut, dass er sich seine Lebensversicherung habe auszahlen lassen, aber davon müsse er nun noch ein Extrakrankengeld zahlen. Das gehe vielen Leuten so – und einige würden auch dagegen klagen, aber ihre Chancen, Recht zu bekommen, stünden schlecht.

Eine Weile geisterte daneben noch die „Riester-Rente“ durch das Haus. Wegen der chronischen Unteralterung der taz (nicht zuletzt durch die „Generation P“) ist die Altersversorgung hier jedoch vor allem ein Problem der Redakteurin für Soziales. Der dienstälteste feste Freie, Christian Semler, hat jedoch vor einiger Zeit sich auch mal praktisch überlegt, ob er „in Rente“ gehen soll, um einem Jüngeren Platz zu machen. Nur leider gibt es keinen Jüngeren mit einem derartig globalen Wissen um die politischen Entwicklungen der – sagen wir – letzten 150 Jahre. Und so blieb alles beim Alten, außer dass Semler sich jetzt gut mit der Rentenproblematik auskennt.

Ich wurde dann ausgerechnet in Bombay wieder darauf gestoßen: Da lernte ich den Leiter eines Tieraltersheims kennen, es gibt davon mehrere in Indien. Vor allem sind sie für alte Kühe da. Aber in dem bei Bombay lebten auch alte Ziegen, hinfällige Hühner und klapprige Esel, ja sogar mehrere in Ehren ergraute Skorpione und Giftschlangen. Das gefiel mir, wobei ich selber jedoch Zyankalikapseln zur Altersvorsorge vorziehe. Das ist natürlich keine taz-Kollektivlösung. Eher schon das berühmte Altersheim für Opernsänger und -sängerinnen bei Mailand, obwohl es dort unter den Insassen oft ziemlich haarsträubend zugehen soll. Aber würde es unter Journalisten anders sein?

Des ungeachtet wäre das Dienstleisteraltersheim Oeschberg in der Schweiz ein noch geeigneteres Modell für die taz. „Als Altenheim ist es einzigartig in Europa – ausnahmslos frühere Knechte und Mägde bewohnen das Haus“, schreibt der Spiegel. „Sie tun dort, was sie immer getan haben: arbeiten. Zum Heim gehört ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Schweinen, Kühen, Hühnern, Wald, Wiese und Garten. ‚Wir suchen für jeden Bewohner eine Aufgabe. Wir wollen jedem das Gefühl geben, gebraucht zu werden‘, sagt Alexander Nägeli, 58, der seit 20 Jahren das Heim leitet.“

Selbstorganisiert funktioniert so etwas bereits in den deutschen Rentnerdörfern in Thailand und auf den Philippinen – zum großen Vergnügen der Einheimischen drumherum. Für das Oeschberg-Modell spricht, dass es in der Umgebung Berlins hunderte von großen Immobilien gibt, die bereits für einen Euro zu haben sind.