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■ NormalzeitGlobale Shampoonierung

In den 129er-Bus stieg eine Iranerin mit vier Kindern ein, alles Mädchen. Die zwei ältesten verdrückten sich nach oben, die zwei jüngsten scharten sich unten um ihre Mutter – und plapperten in Persisch auf sie ein. Ich verstand nur „einmal Shampoo und zweimal Spülen“ bzw. „...dreimal Spülen“. Die Mutter blieb bis Oranienplatz hart: „Einmal Shampoo und einmal Spülen, basta!“

Als ihre beiden Mädchen sich jedoch untereinander einigten und gemeinsam „Einmal Shampoo und zweimal Spülen!“ forderten, gab die Mutter nach. Alle drei hatten schöne lange schwarze Haare. Eine Schnellrecherche bei zwei iranischen Import-Export-Kauffrauen ergab später, man benutzt im Iran zumeist nur ein Haarwaschmittel, das mehrmals hintereinander angewendet wird. Mit verschiedenen Flaschen das Haar zu „pflegen“ gilt deswegen dort als raffiniert.

Genau andersherum stellt sich die Situation in Japan dar, wie der Atomphysiker und Unternehmensberater Kenichi Ohmae meint: „Früher wurde selbst für die Haarwäsche Seife benutzt. Dann gab es Shampoos und später auch Haarspülungen. Als nächstes folgten Shampoos für jeden Haartyp – trocken, fettig etc. – und gegen Schuppen (wobei japanische Shampoo-Hersteller lange Zeit naturgemäß Probleme mit blondem und rotem Haar hatten). Manch eine japanische Familie hatte auf diese Weise zehn oder mehr verschiedene Flaschen in ihrem Badezimmer stehen. Die Folge: Heute ist das attraktivste Produkt eine Kombination aus Shampoo und Spülung.“

In russischen Badezimmern gilt dagegen noch Masse statt Klasse, wobei jedoch die durchweg aus dem Westen stammenden Flaschen für sich schon Statussymbol sind, also Masse gleich Klasse bedeuten. Ein bißchen gilt das auch noch in meinem Berlin-Mitte-Badezimmer, wobei ich dahin tendiere, mir erst dann mit Conditioner oder Sonstwas- Lotion die Haare zu waschen, wenn die Shampoo-Flaschen leer sind.

Ohmae schreibt weiter: „Die neue Kombination von Shampoo und Spülung bringt die Leute dazu, sich über Shampoo überhaupt wieder ,Gedanken zu machen‘.“ Hierzulande kann man vor allem zwei Shampoo-Diskurse, wie man das neuerdings nennt, unterscheiden: die Friseusinnen- und Langhaarige-Freundinnen-Gespräche sowie den ökologisch-aufklärerischen Verbraucherschutz. Ersterer kumuliert Erfahrungen und experimentiert immer wieder mit neu beworbenen Produkten, letzterer verfeinert Ideologisches mit sogenannten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (pH-neutral, alkalifrei etc.). Einen dritten Diskurs versuchten wir bei der ersten drohenden Schließung der „Schwarzkopf“-Werke in Tempelhof, 1973, zu propagieren.

Nennen wir ihn die „Scheiß auf Haarewaschen, es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze“-Argumentation. Bei der massenhaften Abwicklung der DDR-Betriebe wurde dann jedoch durchaus auch und gerade mit dem Produkt gegen den Abbau von Arbeitsplätzen „gekämpft“. Das geht bis zur Registrierung einer besonderen „Opel-Treue“ im Süden der jetzigen DDR. Bei Schwarzkopf in Tempelhof, das nun endgültig geschlossen wurde, betonten die Gewerkschafter die „Traditionsmarke“, argumentierten also nach hinten und mehr zum Senat als zu den Shampoo- Käufern hin – was indes auch nicht ihre Aufgabe ist.

Außerdem benutzen Gewerkschafter traditionell meist das Shampoo, das ihre Frau ihnen aus dem Supermarkt mitgebracht und auf den Badewannenrand gestellt hat, im Zweifelsfall seifen sie ihre drei Kopfhärchen aber auch gerne mit dem ebenso wohlriechenden wie aggressiv-bunten neuen „Duschgel“ ihres Sohnes ein. Helmut Höge

wird fortgesetzt

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