■ Normalzeit: Nahezu sündhaft teure Erfahrungen
Es vergeht kein Tag, ohne daß irgendein „Massenmedium“ über Prostituierte berichtet. In der Oranienburger Straße laufen schon mehr Fernsehteams als feste Freier rum. Und kein einziger Journalist fragt die Frauen über Männer aus, dabei sind sie gerade an diesem Frontabschnitt Experten. Auch wird zumeist übersehen, daß es ihnen dabei nicht ums Anschaffen geht, sondern ums Ausgeben (im Gegensatz zur Witwe Schickedanz: „Wir habet nich vom Ausjebe, sondern vom Behalte!“).
Mir faxte Tina aus dem „Tutti“ (oder „Frutti“) an der Schönhauser Allee gerade die letzte an sie gerichtete „Zahlungsaufforderung“ zu. Sie kam von der Firma „Prowofi – Professionelles Wohnungsfinden“. Tina hatte sich im letzten Sommer an diese in Kurier und Tip annoncierenden Wohnungssuch-Helfer-Truppe gewandt. 1.500 Mark sollte sie für das Verfassen eines erfolgversprechenden Bittbriefes an potentielle Vermieter bzw. Hauseigentümer zahlen. Tina zahlte die Hälfte und hat bis heute noch keine Wohnung. Schon vor der ersten Mahnung fühlte sie sich als Ostlerin – und „Gerechtigkeitsapostel“, wie sie sich selber nennt – verarscht. Ein Freund von ihr versprach, sich darum zu kümmern, verschwand dann aber mit ihren Unterlagen aus Berlin, als seine Freundin ihn aus der Wohnung warf.
Den ersten „Amtsgerichtsbescheid“ in Höhe von 746,59 Mark faxte sie mir dann ebenfalls zu. Ein befreundeter Rechtsanwalt meinte dazu: „Die Leute müssen blöd sein, die so was unterschreiben, die müssen wenigstens und unbedingt Widerspruch einlegen, sonst kommen sie ins Schuldnerverzeichnis.“ – „Das ist doch nicht mein Scheiß-Rechtsstaat“, bemerkte Tina sachlich, „sondern euer!“ Der Redakteur des Mieter-Magazins setzte auf Aufklärung: „Da stecken die Scientologen hinter, das ist ein weitverzweigtes Franchise-Unternehmen von denen.“ Er riet mir: „Ruf mal bei der Staatsanwaltschaft an, die ist informiert, unternimmt aber nichts dagegen.“
Statt dessen telefonierte ich mit dem Anwalt der dubiosen Prowofi-Firma von Frank Hellmann, dessen Wohnungshilfe- Büro in der Lichtenberger Markelstraße mittlerweile geschlossen ist (als „Hilfe für Wohnungssuchende“ firmiert sie nun in der Husemannstraße 10). Dort sollte ich dann sogar 1.770 Mark für eine „professionelle Begleitung bis zum Abschluß eines Mietvertrages“ berappen, wie ein pferdebeschwanzter Mitarbeiter sich ausdrückte. Den „Dienstleistungs-Vertrag“ wollte er mir nicht zeigen. „Da steht nirgends, daß man nach soundso viel Tagen vom Vertrag zurücktreten kann, das ist doch sittenwidrig“, hatte Tina gesagt. Und das Mieter-Magazin hatte mir sogar ein Fax geschickt, verfaßt von einer Wirtschaftsredaktion des ZDF, in dem es hieß: „Für bereits Geschädigte ist nach dem Urteil eines Karlsruher Amtsgerichts die Chance groß, die 1.500 Mark per Gerichtsklage von Prowofi zurückzubekommen.“ Der Rechtsanwalt der laut ZDF „skrupellos abzockenden Scientologen- Gründung Prowofi“ meinte dazu nur: „Alles Lug und Trug. Ein Immobilienmakler hatte kürzlich meinen Mandanten verklagt, und das Kammergericht hat jetzt festgestellt: Das ist keine üble Firma, die ist in ganz Deutschland o.k. Sinngemäß hat der Richter dabei argumentiert: „Weswegen soll es denn nicht möglich sein, auf diesem Gebiet, der Wohnungssuche, eine Schulung anzubieten?!“
„Das wird ja immer schöner“, darauf wieder Tina, „und dann hat eine Sekte, die Scientologen, jetzt auch noch meine ganzen Daten gespeichert. Uns Ostlern bleibt wirklich nichts erspart.“ Sie war darob jedoch eher belustigt als niedergeschlagen. Helmut Höge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen