■ Normalzeit: A-rbeiten B-is M-ittag
„Über ABM redet man nicht, ABM hat man“, hieß es landunter-glückauf in der Ex-DDR. Und doch muß man über nichts öfter reden als über ABM, denn kaum etwas ist mehr geeignet, das abrupte Ende der Staatswirtschaft mit all seiner einstigen Gemütlichkeit und Kollektivität „sanfter abzufedern“, als gerade diese nicht mehr auf ewig angelegten kollektiv-gemütlichen Beschäftigungsmaßnahmen in gesellschaftlich nützlichen Bereichen – diesseits konkurrierender Gewerbefreiheit und jenseits aller sinnvollen Staatsplanung.
Auch der antikommunistisch verhetzteste Dumpf-Prolo im Westen merkt langsam, daß mit dem Abbruch des Kommunismus kein Aufbruch, sondern ein noch überhaupt nicht abzuschätzender Absturz begann. Lohndumping, Mobbing, Unsicherheit – flankiert von revanchistischer Sudetensülze, Schützenvereinen, Fahnenweihen, Straßenrückbenennungen, Junkerherrlichkeiten, NS-Volkstheaterstücken... Das Wahre, Schöne, Gute – und Ökologische, kurzum: alles Nachhaltige und Gebrauchswertorientierte beziehungsweise das, was davon noch übriggeblieben ist an Emanzipatorischem, wird in ABM gestopft, abgeschoben! Windenergieanlagen, Betreuungseinrichtungen, die Perspektivprojekte des Bauhauses Dessau, Gärtnereien, Töpfereien und Wolläden brandenburgischer Beschäftigungsgesellschaften.
Längst wird auch das Ausland mit deutschen ABM beglückt: „Sokrates“ und „Leonardo“ heißen die Projekte der Zentralen Arbeitsvermittlung (ZAV): EU- Praktika für Jungunternehmer. Der Verband der Euro-Regionen offeriert gar eine „Euro-Dyssee“, und selbst das „Vietnam-Büro“ in Hanoi finanziert rückkehrwillige Vietnamesen gemäß dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG). In Moskau schulte das ABM-Projekt Ost-West-Europäisches Frauennetzwerk (OWEN) arbeitslose russische Akademikerinnen zu Existenzgründerinnen, und bei den humanitären Hilfseinsätzen der „Rentner-Bands“ aus den sozialdemokratischen Ortsgruppen Emdens ist so manches ABM-gestützt.
Ja, als Faustregel gilt: Je schärfer die Staats- und Privatunternehmen kalkulieren und Kosten reduzieren, desto mehr wird das Soziale und gesellschaftlich Sinnvolle dort eliminiert, um anderswo ABM-organisiert wieder neu zu entstehen, diesmal fast ohne Profitdruck, der ABM-Projekten verboten ist: Sie dürfen den regulären Betrieben keine Konkurrenz machen! Dafür erfüllen die Beteiligten sich gelegentlich mit der Staatsknete Herzenswünsche: Erwähnt sei ein türkisches ABM-Projekt, in dem multimediale Aleviten-Forschung betrieben wird. Im Gegensatz zu England ist das ABM- Netz in Ostdeutschland zwar mehr von oben eingesetzt als von den Wünschen der Betroffenen aus organisiert, aber auch in der Ex-DDR, von der ein Wolfener Pastor neulich sagte, sie habe in der ABM ihre Fortsetzung gefunden, kommen die Interessen der Ausrangierten zunehmend zum Tragen: Immer mehr VEB-Privatiseure sind mit ihrem Latein am Ende beziehungsweise am Ziel ihrer konzeptionellen Vorstellungen, das heißt im Besitz einer Immobilie, und verabschieden ihre letzten Lohn- und Gehaltsabhängigen.
Gleichzeitig laufen die großen treuhandinitiierten Sanierungsprojekte auf ABM-Basis aus. Damit stehen wir bald am Anfang einer wirklichen „Lokalen Ökonomie“. Während Arbeitssenatorin Christine Bergmann dabei ein „duales System“ vorschwebt – Verzahnung von eigeninteressegeleiteten ABM und profitorientierten Wirtschaftsbetrieben –, favorisiert der US-Arbeitsforscher Frithjof Bergmann eine „Dreifaltigkeit“: kurze Lohnarbeitszeiten, moderne Selbstversorgung und ABM auf hohem Niveau, wo man tun kann, was man wirklich will. Helmut Höge
wird fortgesetzt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen