piwik no script img

■ NormalzeitArbeitsplatzbeschreibung: Mobbing

Wer dachte, die komischen Geschichten in der Berliner Zeitung würden mit dem Weggang von Georgia Tornow aufhören, irrte sich. Zweimal versuchte die Geschäftsleitung in letzter Zeit, den allseits als kämpferisch bekannten Betriebsratsvorsitzenden Peter Venus zu entlassen – wegen Stasispitzelei (die Unterlagen dazu waren in einer Studie der TU Dresden über „Staatssicherheit und Bezirksparteizeitungen“ aufgetaucht). Zweimal erzwang Peter Venus jedoch vor dem Arbeitsgericht seine Wiedereinstellung.

Dabei hatte die Geschäftsleitung sogar eine Umfrage durchführen lassen: Würden Sie eine Zeitung lesen, bei der einzelne Redakteure IM waren? 26,9 Prozent der Befragten verneinten das. Die Gruner&Jahr-Juristen argumentierten mit dem Tendenzschutzparagraphen. Die Richter mochten ihnen jedoch nicht folgen. Es seien auch andere Gründe als Peter Venus' IM- Tätigkeit für den Abonnenten- Abgang seit Anfang 1997 denkbar – beispielsweise die „verstärkte Werbung der Konkurrenz“. Auf diesem Gebiet holte die Berliner Zeitung dann auch schnell auf – ihre smarten Werber haben inzwischen im Verein mit dem Innensenator schon fast alle Supermarkt-Punker verdrängt.

Der Betriebsrat hatte zur Unterstützung seines Vorsitzenden die Prominenten Gaus, Ullmann, Wesel und Barthel um ein Gutachten gebeten. Diese kamen zu dem Schluß: Redakteur Venus habe es sogar „bewußt vermieden“, dem MfS nähere Informationen über einzelne zu geben. Rechtlich „außerordentlich fragwürdig“ sei es jedoch, wie die Stasi-Unterlagen überhaupt in die Hände der Gruner&Jahr-Kader gelangt seien. Venus mußte also wiedereingestellt werden.

Aber dann gab es Betriebsratswahlen im Haus am Alexanderplatz, und jetzt ist er nur noch einfaches – d.h. nicht-freigestelltes – BR-Mitglied: „Da ist was schiefgelaufen bei der Wahl“, ist sich zwar eine Gewerkschafterin sicher, aber erstmal gelang es nun, Peter Venus aufs „Abstellgleis“ zu schieben: Der ehemalige Polit- Redakteur soll einen Dokumentarjob verpaßt kriegen: „Das hat die Geschäftsleitung sich ausgedacht, um ihn abzuwürgen!“ Derzeit befindet er sich dafür in Schulung. Zunächst dachte ich, neben Peter Venus hätten sie auch Alexander Osang derart abgeschoben, aber der ist jetzt zum Glück wieder „im Haus“: Er war nur freigestellt – und schrieb ein Buch.

Neulich fragte mich mal wieder eine Frau aus der Marketing- Abteilung, warum ich mein Probeabo nicht verlängern wolle. Weil eure Leitung die guten Leute rausekelt und statt dessen lauter FAZ-Schnullis einstellt, antwortete ich ihr. Sie kannte die FAZ nicht. Deswegen klärte ich sie auf: Das ist das reaktionärste Blatt der Republik, das sich noch für jeden großen Staatsmann auf der Welt stark gemacht hat, wenn er nur die Kommunisten scharf genug verfolgt hat – dafür wurden ihre Autoren mitunter sogar direkt von großen West-Konzernen unterstützt. Auch gegenüber der DDR war und ist ihre Berichterstattung milde ausgedrückt eine Katastrophe. Kurzum: Diese schrecklichen FAZ-Männer gehören wieder nach Frankfurt in den Main getrieben und die G&J-Kader wieder nach Hamburg – in die Elbe!

Das sagte ich ihr. Sie fand das jedoch „zu hart“ – ob ich immer „so unbeherrscht“ sei? Ja, gestand ich ihr, manchmal würde ich mich in regelrechte Gewalt- Phantasien reinsteigern – angesichts solcher Schweinereien: wie Treuhand-Privatisierung, westdeutsche Pressepolitik im Osten, das Wirken von Immobilienentwicklern, Schönbohms und Landowskys Sprüchen usw. So hätte ich z.B. gerade von „Radio Multikulti“-Mitarbeitern gehört, daß sich seit den ausländerfeindlichen Politiker-Äußerungen viele ihrer Interviewpartner, die unperfekt Deutsch sprechen, nicht mehr ans Mikro trauen. Ist das nicht furchtbar? Nach diesem furiosen Trappatoni-Vorstoß machen diese reaktionären Politiker jetzt wieder alles kaputt. Das fand sie auch „blöd“. Ich hatte jedoch den Eindruck, sie stimmte mir nur zu, um doch noch zu einem Daueraboabschluß zu kommen. Man kann nicht mißtrauisch genug sein – besonders bei der Berliner Zeitung. Helmut Höge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen