Nordderby: Ätsch, Braunschweig!
Nach dem 3:2-Sieg gegen den Hamburger SV in letzter Minute steht Hannover 96 als bester Nordclub überraschend auf Platz vier der Fußball-Bundesliga. Aber in Hannover zählt vor allem die ewige Tabelle.
Er wollte es hinter sich bringen, die undankbare Begleiterscheinung des Geschäfts, nach dem Spiel eine Niederlage und ihre Bedeutung für das große Ganze ausführlich erklären zu müssen. Dafür hat er sich besonders viel Zeit genommen, wie so oft in den vergangenen Wochen, auch wenn der immer finsterer werdende Gesichtsausdruck mehr sagte als die leisen Worte. "Noch bitterer geht es nicht. Im Moment kommt es für uns einfach knüppeldick", murmelte Bastian Reinhardt, Sportdirektor des in dieser Saison noch immer nach sich selbst und seinem Spiel suchenden Hamburger SV. Er hatte sich schon mit einem Unentschieden angefreundet, musste aber hilflos mit ansehen, wie seine Mannschaft durch ein Tor von Mike Hanke in der Nachspielzeit noch mit 2:3 (1:1) eine erstaunliche Begegnung bei Hannover 96 verlor, die sie nicht hätte verlieren dürfen.
Darin waren sie sich nach dem Spiel einig, auch wenn die Aussagen unterschiedlich klangen. "Wir waren die bessere Mannschaft und hätten das Spiel für uns entscheiden müssen", hatte Heiko Westermann zurecht erkannt. "Wir haben viel zu leichte Gegentore bekommen. Das darf uns einfach nicht passieren", sagte Armin Veh, Hamburgs Trainer. Er lag auch nicht falsch - und lieferte wenig später die möglicherweise auch bald für ihn gefährlichen Zahlen, die sie im graugrauen Niemandsland der Tabelle haben verschwinden lassen und die Sinnkrise in Hamburg verdeutlichen. "Fünf Siege, drei Unentschieden und fünf Niederlagen - das ist für unsere Ansprüche viel zu wenig", sagte Veh. Der vielversprechende Auftritt seiner personell erheblich geschwächten Mannschaft und die beiden wunderbaren Tore von Heung-Min Son (40., 54.), dem südkoreanischen Versprechen, waren ein schwacher Trost.
In Hamburg sind sie in den eigenen Ansprüchen gefangen und tun sich mit der Bewältigung der Wirklichkeit in diesen Tagen unheimlich schwer. In Hannover dagegen will man von einer neuen Erwartungshaltung nichts wissen, auch wenn die bislang so aufregende Hinrunde und Tabellenplatz vier durchaus Anlass dazu geben. "Nach der letzten Saison sind wir gut beraten, wenn wir von Spiel zu Spiel denken und uns von dem Erfolg nicht blenden lassen", sagte Christian Schulz, der Nationalspieler in Vertretungsfällen, dem mit einem grandiosen Fallrückzieher der Ausgleich gelungen war (59.).
Lars Stindl hatte Hannover in Führung gebracht (31.). Und in der Nachspielzeit eine genaue Flanke geschlagen. In der Mitte stand Mike Hanke in der Luft, der in dieser Saison gesund, aber lange nicht erwünscht war - und traf per Kopf zur Entscheidung, die an diesem Samstagnachmittag besonders süß ausfiel.
Sie hatte auch einen historischen Wert, der es leichter macht, den aktuellen Tabellenstand als sprichwörtliche "Momentaufnahme" abzuhaken: Durch den Sieg hat sich Hannover in der ewigen Bundesligatabelle an Eintracht Braunschweig vorbeigeschoben, also an dem Verein, der zwar gerade mal vom Aufstieg in die zweite Bundesliga träumt, wegen der nach wie vor mit Liebe gehegten landsmannschaftlichen Feindschaft aber auch zu Hannovers eigener Geschichte gehört - und in Hannover ungefähr so beliebt ist wie ein ekliger Hautausschlag. Unnötig zu erwähnen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.
Die Hamburger bringt die Last-Minute-Niederlage in große Erklärungsnot. Nicht nur, weil Paolo Guerrero diesem bemerkenswert unterhaltsamen Spiel einen unschönen Moment bescherte - und von einem Handspiel, das dem zweiten Tor von Son vorausgegangen war, auf Nachfrage des Schiedsrichters nichts wissen wollte. Beim notorisch ambitionierten HSV wird nach so einem Spiel niemand hören wollen, dass mit Kacar, Demel und Mathijsen eine halbe Defensive ausgefallen war. Zumal das für die nähere Zukunft nichts Gutes verheißt: Mathijsen, bisher die Konstante im Abwehrverbund, fällt nach seinem im Länderspiel erlittenen doppelten Bänderriss bis ins kommende Jahr hinein aus.
Sein Vertreter, der erst 18-jährige Muhamed Besic, hatte seine Sache gar nicht schlecht gemacht - bis auf den Fehlpass, der den HSV zum ersten Mal in Rückstand gebracht hatte.
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