Norbert Radermacher : Die Welt zu Gast in Lingen
Nicht, dass Norbert Radermacher Schule grundsätzlich verurteilen würde. Aber „irgendwann war mir diese formale Bildung zu wenig“, sagt der Oberstudienrat. Die Teamfähigkeit komme da zu kurz, zum Beispiel. Und die Kreativität. „Lernen ist mehr als Wissensvermittlung.“
Nun ist das keine so ungewöhnliche Einsicht. So manchen Lehrer hat sie schnurstracks ins Burnout-Syndrom geführt. Nicht jedoch den 1946 geborenen Emsländer: 1980 bereitet Radermacher seiner Gymnasiallaufbahn ein Ende, baut stattdessen das theaterpädagogische Zentrum in Lingen auf. Und gründet 1990 das Welt-Kindertheater-Fest: „Wir hatten“, erzählt er „auf regionaler Ebene kleinere Festivals.“ Dann habe man geschaut, ob es Vergleichbares auf internationalem Niveau gebe. „Aber da gab es nichts.“ Seither findet das Kindertheater-Fest alle zwei Jahre statt. Und führt die Welt nicht bloß im Titel: Toyama, Havanna, Kopenhagen und Antalya hießen die Stationen, Moskau steht 2008 auf dem Fahrplan. Zwischendurch aber kehrt es immer wieder zurück nach Lingen: 50.000 Einwohner hat die Stadt, 50.000 Festival-Gäste erwartet sie von heute bis zum Ende am 21. Juli. Und das ist nicht die einzige greifbare Wirkung von Radermachers Engagement: „Lingens Theater hat 94 Prozent Platzausnutzung“, sagt er. Rekordverdächtig. „Es gibt hier Schüler, die freiwillig Theater-Abos kaufen.“ Bemerkenswert. Aber längst nicht der einzige Grund, eine stärkere Akzeptanz für Kindertheater einzufordern.
Sicher, die Vorbehalte kennt Radermacher. Und die Negativbeispiele, wo der Zeigefinger Hauptdarsteller eines vom Lehrkörper beförderten Spiels ist, die kennt er auch. Aber das zu verallgemeinern, sei falsch. Und Ausdruck eines merkwürdigen gesellschaftlichen Phänomens: „Wir bewundern das Talent, wenn eine 14-jährige Turnerin einen Salto macht. Wir feiern Mozart, weil er als Kind hervorragend komponiert hat.“ Dem Kindertheater aber werde der Kunstwert in Deutschland nicht zugetraut. Obwohl es oft „eine enorme Kraft“ entfalte, eine für Radermacher „ganz eigene ästhetische Qualität“. Das wird das Festival ab heute erneut beweisen. bes