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Nokia verlässt Werk im rumänischen ClujUnd sie ziehen weiter

Der Handyhersteller schließt sein Werk in Rumänien. Dabei war die Produktion erst vor drei Jahren aus Bochum dorthin verlagert worden. Das Land will jetzt klagen.

Müssen nicht wieder kommen: Arbeiter verlassen das Nokia-Werk im rumänischen Cluj. Bild: dpa

BOCHUM taz | Wenn Wolfgang Nettelstroth, Sprecher der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, über den Handyhersteller Nokia spricht, ist seine Wut deutlich hörbar. Der aus Finnland stammende Konzern missbrauche "nicht nur seine Mitarbeiter, sondern auch die öffentliche Hand", sagt der Gewerkschafter: "Nokias Unternehmenspolitik ist ein Billigkonzept, das auf Dauer nicht tragfähig ist."

Der Grund für Nettelstroths Wut: Am Donnerstag hat Nokia die Schließung seines Werks im rumänischen Cluj verkündet. Dabei war erst 2008 die gesamte Produktion der Bochumer Nokia-Fabrik dorthin verlagert worden. 2.300 Festangestellte und über 1.000 Leiharbeiter verloren damals in Nordrhein-Westfalen ihren Job - aus Kostengründen: Nokia zahlte seinen rumänischen ArbeiterInnen damals 800 Lei im Monat. Das waren etwa 220 Euro und damit nur die Hälfte des landesüblichen Durchschnittslohns.

Drei Jahre später aber sind dem Konzern auch seine 2.200 ArbeitnehmerInnen in Rumänien zu teuer. "Schmerzhaft, aber notwendig" seien die Entlassungen, sagt Vorstandschef Stephen Elop: Neben den ArbeiterInnen in Cluj verlieren weltweit auch 1.300 Mitarbeiter der Navigationssparte ihren Job.

Veraltetes Konzept

Nokia braucht dringend neue, konkurrenzfähige Produkte. "Nokia hat den Trend zum Smartphone verschlafen", sagt der Kommunikationswissenschaftler Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen. "Nokia kann heute keine modernen Endgeräte herstellen." Statt tragbarer Multimedia-Computer wie Apples iPhone habe der Konzern zu lange auf herkömmliche Mobiltelefone gesetzt - dabei sinkt deren Marktanteil rapide.

Trotzdem hat Nokia nicht einmal ein eigenes Betriebssystem für Smartphones entwickelt - stattdessen will Konzernchef Elop, der bis 2010 für Microsoft gearbeitet hat, auf ein für das kommende Jahr angekündigtes Produkt seines einstigen Arbeitgebers warten. "Elop hat Nokia von Microsoft abhängig gemacht", sagt der Telekommunikationsexperte Gerpott.

Damit könnte die Entlassungswelle weitergehen: Nach Angaben des Konzerns stehen auch die Produktionsstätten im finnischen Salo, im ungarischen Komarom und in Reynosa in Mexiko auf dem Prüfstand. Denn absetzen kann Nokia seine Einfach-Handys fast nur noch in Schwellenländern, vor allem in Asien. Die Einzelteile werden dort schon heute gefertigt - für den Konzern ist es naheliegend, auch die Endmontage in Asien zu konzentrieren.

Allerdings will die rumänische Politik Nokia nicht kampflos ziehen lassen - und wird wohl Subventionen zurückfordern. Vorbild ist Bochum: Als Nokia dort 2008 verschwand, forderte die NRW-Landesregierung 60 Millionen Euro Fördergelder zurück - Nokia zahlte schließlich 40 Millionen. Geholfen hat das nicht allen Beschäftigten: "400 ehemalige Nokia-Mitarbeiter", sagt Ulrike Kleinebrahm von der Bochumer IG Metall, "sind noch immer arbeitslos."

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7 Kommentare

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  • BP
    BRUNO (NICHT PROBLEM BÄR)

    Ich schäme mich dafür, ganze 4 Winter Jahre lang, ein Nokia-Produkt genutzt zu haben.

     

    Nein, nein, kein Handy!

     

    Es waren Spike-Reifen für mein Fahrrad, ganze 2 Stück von dem jeder 36,00 Euro gekostet hat.

     

    Wenigstens wurden die noch im eigenen Land produziert so das davon ausgegangen werden darf, dass die Arbeiter dort gerecht entlohnt worden sind.

     

    Nachdem ich erfahren habe wie es um die Arbeitspoltischen Praktiken dieser Firma steht, habe ich diese einem Praktikanten von uns geschenkt.

     

    Werde ab jetzt meine Spikes von der Firma S......e beziehen.

     

    Ohhh, ich sehe gerade das die ja erst in Polen und nun in Asien gefertigt werden, was mach ich nun bloß, die beuten ja dort die Arbeiter aus und beschäftigen womöglich nur Kinder!!!

     

    Ach was soll's, meiner einer fährt dann halt im Winter etwas waghalsiger mit normalen,

    in Deutschland Produzierten Pneus

    durch die Winterlandschaft,

    und lege mich dabei dann ganz gerne,

    aus lauter Solidarität zu den Ausgebeuteten Menschen auf dieser Welt,

    ab und an auf die Fresse! :o)

     

    So wird's gemacht, oder anders, aber sofort! ;o)

  • V
    vic

    Nokia zieht weiter.

    Die Hände werden kleiner, die Arbeiterinnen williger, die Löhne geringer- doch irgendwann sind die Coltanbestände des Ost-Kongos leergeplündert. Dann ist Schluss damit.

    Ich hab ein Nokia Handy, hatte immer Nokia. Und ich habe nicht erst seit heute ein verdammt schlechtes Gefühl dabei.

  • WZ
    weiter ziehen

    Wenn die intellektuelle Linke und ihre überlegenen Analyse-Fähigikeiten gewirkt hätten, könnte taz jetzt bei Youtube zwei Videos verlinken:

    - Video 1: PR-Konferenz und die taz-Frage an den Manager: "Wenn sie in 5 Jahren weiterziehen oder das werk schliessen, zahlen sie die Subventionen zurück ?"

    - Video 2: PR-Konferenz und taz-Frage an den Minister: "Wenn Nokia in 8 Jahren das Werk schliesst, fordern sie dann die Subventionen vollständig zurück ?".

    Es ist ja nicht so, das Subventionen Geschäftsgeheimnisse sind. Oder das es keine Flip-Cams oder Handy-Kameras gibt.

    Eine gute Linke würde Verbindlichkeiten schaffen an denen die Seilschaften dann hängen bleiben und abfindungsfrei zurücktreten müssen.

     

    Davon abgesehen waren die j2me/Symbian-Handies von Nokia nicht wirklich schlecht. Aki-aka, Skype, Deutsche-Bahn-Zugauskunft, Email und opera-Mini usw. laufen dort auch sehr gut.

    Damit kann jeder Hartz4- oder Post-Kunde genau sehen wo sein Paket oder Antrag ist. Natürlich in Afrika und nicht in Fortschritts-Verhinderer-Deutschland wo man Zilliarden für Software ausgibt aber kleine Afrikaner die Rathäuser auf Handy-Self-Service um-programmieren. Das geht auch mit solchen "alten" Handies. Und (primitive) Appstores habe ich damals auch benutzt. Die hiessen getjar und heise-Software-Archiv:(J2ME/Symbian).

    Nokia waren beim Marathon vorne aber die anderen sind vorbeigezogen und jetzt sind sie nur noch auf Platz 7 oder so.

    Die inneren Strukturen könnten massiv marode sein, um den früher vorhandenen Fortschritt so beschränkt zu haben. Oder der clevere Antreiber ist in Rente oder so.

    Nokia ist wie einige Parteien: Intern zerstritten und nix mehr gebacken kriegend.

    Die schlaue Presse würde es aufdecken. Eine primitive Presse berichtet immer erst hinterher statt vorher.

  • KS
    Kleiner Schritt

    Ich habe damals (nach Bochum) mein betagtes Nokia-Handy nicht wieder durch ein aktuelleres Nokia-Geräte ersetzt und bis heute kein Nokia-Kunde mehr.

     

    Das ist freilich nur ein kleiner Schritt, könnte aber durch Millionen Nokia-Nutzer, die auf zukünftig Produkte dieses Unternehmens verzichten, durchaus ein schmerzhafter sein.

     

    Vielleicht würde sich Nokia dann sogar wieder an die Bedeutung des Begriffs 'Unternehmenskultur' erinnern.

  • EA
    Enzo Aduro

    Nokia ist kurz vor der Pleite.

     

    Sie waren der letzte erfolgreiche Massenelektrokarmshersteller Europas. Alle sind gescheitert. Siemens. Sagem. Ericsson, und nun Nokia. Von Grundig & Co nicht zu sprechen.

     

    Das ist das eigentlich traurige.

     

    Und nicht das eine Firma die in Bochum nur mit Subvention angelockt wurde geht, wenn diese auslaufen, da es über die Subventionen hinaus keine Standortfaktoren gab.

     

    Wenn ein Mädel sich in der Disco von einem fremden Angetrunkenen Kerl erzählen lässt das er Sie liebt, und das glaubt, dann ist Sie am nächsten Morgen natürlich auch enttäuscht wenn der über alle 7 Berge ist.

     

    Firmen sind keine Wohltäter. Das muss man als Staat und Gesellschaft wissen und antizipieren. Daher ist die subventionsgeleitete Ansiedlung natürlich meißtens Mumpitz. Man kann es im übrigen auch Bestechung von Firmen nennen wenn man möchte.

  • TI
    Telefoniren ist Völkermord

    2 Millionen ermordete Menschen im Kongo, um die für diese Spielzeuge reicher Leute notwendigen Rohstoffe zu bekommen, gemahnen daran, daß der Müll endlich verboten gehört. Außerdem kann man keine Glotze glotzen, wenn die Spackos nebenan was zu sabbeln haben; ihr Dreck strahlt zu stark.

  • JK
    Juergen K.

    Bochum kann nicht Vorbild sein.

     

    Der abgewrackte Ruettgers hat nicht klagen lassen.

     

    Woher will NOKIA die nächsten Subventionen bekommen ?

     

    China fänd ich gut !

    Da rollen auch schon mal Köpfe .