Noch stimmt das Umfeld nicht fürs Kapital

■ K. Bleibaum ist Manager der Berliner Handels- & Frankfurter Bank (BHF) für Osteuropa INTERVIEW

taz: Westdeutsche Unternehmer sind in Sorge, Gorbatschow erwarte neue Kredite und Investitionen.

Klaus Bleibaum: Soweit ich informiert bin, hat die sowjetische Seite offiziell keine neuen Kreditwünsche geäußert. Die Bundesregierung hat zu verstehen gegeben, daß weitere Kredite mit den EG-Partnern koordiniert werden sollen. Sicher wird es in Zukunft nicht möglich sein, ungebundene Kredite in Milliardenhöhe zu geben, wie das mit dem 5-Milliarden-Kredit der Fall war. Diesen Kredit hat die Sowjetunion ja dafür eingesetzt, Auslandsschulden zu begleichen.

Die sowjetische Regierung hat ein Übergangsprogramm zur Marktwirtschaft verabschiedet, das zwar nicht terminiert ist, aber dennoch ein hohes Tempo vorsieht. Halten Sie den 500-Tage-Plan Schatalins für realistisch?

Die Frist ist nicht gerade großzügig bemessen. Vor allem aber meine ich, daß den Worten jetzt Taten folgen sollten. Mir geht es vor allem darum, daß auch in der Bevölkerung ein positives Verhältnis zum Privateigentum entsteht. Jeder Sowjetbürger sollte sich, wenn er es will, selbstständig machen können. Im Bereich des Handels, der Dienstleistungen und des Handwerks existiert mit den Genossenschaften ja schon ein Ansatz.

Es gibt sowjetische Experten, die dringend davon abraten, jetzt zu investieren..

Zweifellos gibt es gegenwärtig noch viele Hindernisse für Kapitalinvestitionen und man kann nicht sagen, daß das Umfeld stimmt. Die weiter existierenden bürokratischen Strukturen behindern die Gründung von Joint-ventures, es gibt Probleme mit Zulieferungen von seiten der staatlichen Betriebe, die Joint-ventures müssen eben in einem noch weitgehend durch die Planwirtschaft bestimmten Milieu operieren. Auch der Gewinntransfer in Devisen ist noch nicht gewährleistet, allerdings soll er im nächsten Jahr ermöglicht werden. Für Kredite besteht in der Sowjetunion ein gewaltiger Bedarf. Die deutschen Bankinstitute sind auch bereit, sich zu engagieren- allerdings nicht ohne staatliche Rückendeckung.

Kürzlich sprach Wolff von Amerongen mit Jelzin, dem Präsidenten der russischen Föderation. Sind die deutschen Unternehmer von einem drohenden Auseinanderfall der Sowjetunion beunruhigt?

Ich glaube, daß die deutschen Unternehmer sich rechtzeitig auf eine neue Union, die an Stelle der jetzigen Sowjetunion treten wird, einstellen und Beziehungen zu den führenden Persönlichkeiten in den Republiken aufnehmen werden. Interview: Christian Semler