: Noch resigniert Manfred Stolpe nicht
■ Druck auf Brandenburgs Ministerpräsidenten wächst/ Bischöfe Krusche und Leich entlasten Stolpe
Potsdam (dpa) — Quer durch alle Parteien des brandenburgischen Landtags heißt es: Hoffentlich hält Stolpe durch! Von Rufmordkampagne, Medienrummel und Vorverurteilung ist die Rede. Der Landesvater sei Opfer einer „Entossifizierungswelle“, einer flächenbrandartig verbreiteten Behauptung, daß kein Ostdeutscher Politik machen könne – so der einhellige Tenor unter den Abgeordneten.
Zwölf Tage nach dem Bekanntwerden seines eigenen Bekenntnisses zu früheren Stasi-Kontakten muß der Regierungschef täglich neue sogenannte Enthüllungen dementieren, hetzt von Interview zu Talkshow und sieht sich — kaum scheint ein Vorwurf entkräftet — einem neuen ausgesetzt. Die jüngste Anschuldigung: Stolpe habe Ostdeutschen, die aus politischen Gründen die DDR verlassen wollten, angeboten, daß die Kirche durch Kontakte zu staatlichen Organen eine schnelle Ausreisegenehmigung erwirken könne. Stolpe dementierte dies. Rechtsanwalt Reymar von Wedel entlastete ihn. Angebote der evangelischen Kirche, als Gegenleistung für den Verkauf von Grundstücken eine beschleunigte Ausreisegenehmigung zu beschaffen, habe es niemals gegeben.
Müssen wir eigentlich immer wieder reagieren, fragen sich Stolpes PR-Strategen in der Staatskanzlei inzwischen. Währenddessen rätselt man auf den Fluren des Landtagsgebäudes schon über Stolpes Nachfolger. Im Gespräch sind der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Wolfgang Thierse und der Berliner SPD-Chef Walter Momper. Offiziell dementiert SPD-Landeschef Steffen Reiche alle derartigen Spekulationen und kündigt an, mit der Berliner SPD ein ernstes Wort reden zu wollen.
„Wir sind felsenfest davon überzeugt, daß sich Stolpe nicht mehr wird halten können“, sagt der CDU- Abgeordnete Klaus-Dieter Arlt. Auch die PDS räumt dem Landesvater nach den Worten ihres Fraktionschefs Lothar Bisky nur noch eine Chance von „fünfzig zu fünfzig“ ein. „Allein wird er das nicht durchhalten. Sie machen ihn fertig“, sagt er. SPD-Kreise geben ihrem Spitzengenossen unter der Hand höchstens noch ein Vierteljahr. Andere Partner der Ampelkoalition nur noch zehn Tage — „wenn die täglich neuen Spekulationen kein Ende nehmen“.
„Er sieht täglich müder und angegriffener aus, noch aber hat er nicht resigniert“, so ein enger Vertrauter. Die Sacharbeit leide außerdem, reklamieren Vertreter von Bündnis 90 und Liberalen. Unterschiedlich beurteilt wird, ob Stolpe mit vorauseilender Offenlegung aller Akten und Unterlagen — gemäß einer CDU- Forderung — den immer neuen Angriffen begegnen kann. Die FDP- Abgeordnete und frühere Frankfurter Stasi-Auflöserin Rosemarie Fuchs hält das nur für sinnvoll, wenn die Akten lückenlos vorhanden seien. Aus ihrer Sachkenntnis heraus befürchte sie aber, daß hohe Stasi- Offiziere zu ihrem eigenen Schutz Teile von Stolpes Akten vernichtet haben. Auch PDS-Fraktionschef Bisky ist skeptisch: „Aktengeschichte ist keine wirkliche Geschichte. Stolpe hat keine Chance, wenn er die Unterlagen preisgibt.“
Auch die sonst um Öffnung bemühten Bürgerbewegungen sind nach Angaben des Fraktionschefs Günter Nooke für eine differenzierte Betrachtung: „Offenlegung ja, aber nur mit ergänzender Interpretation.“ Das Bündnis 90 hat nach den Worten von Nooke aber keine Mühe, mit Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) weiter Politik zu machen.
Altbischof Krusche entlastet Stolpe
Der Magdeburger Altbischof Werner Krusche hat Manfred Stolpe im Zusammenhang mit einem Gesprächsprotokoll über ein Treffen Stolpes im ZK der SED erneut entlastet. Die Evangelische Kirche in der DDR habe Stolpe eine Generalvollmacht für Dinge gegeben, die Menschenrechte betrafen, sagte Krusche gestern. „Alle Bischöfe waren heilfroh, daß wir in Stolpe einen Mann hatten, dem wir voll vertrauen konnten und nicht ständig kontrollieren mußten.“
Der Magdeburger Altbischof ging hart mit der gegenwärtigen Diskussion um Stolpes Verbindung zu dem mächtigen DDR-Staat ins Gericht. Bei ihm „koche“ es, wenn jetzt „Leute über uns zu Gericht sitzen, die hier nichts tun mußten und auch nichts falsch machen konnten“. Er könne nicht sagen, daß Stolpe alles richtig gemacht habe. Aber für die Verhandlungen mit dem SED-Staat sei jemand benötigt worden, der etwas geschickter gewesen sei als viele andere in verantwortlichen Kirchenpositionen. Krusche warnte davor, von staatlicher Seite angefertigte Protokolle wie die des früheren Leiters der Arbeitsgruppe Kirchenangelegenheiten, Rudi Bellmann, als blanke historische Wahrheit anzusehen. Auch der Thüringer Landesbischof Werner Leich hat sich hinter den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe gestellt. Stolpe habe in „äußerst gefährdeter Situation am Außenrand der Kirche Informationen gesammelt, um Entscheidungen der Kirche zu stützen“, erklärte der Thüringer Bischof. Er habe vollstes Vertrauen zu Stolpe, erklärte Leich.
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