Nobelpreisträger Stiglitz zu Kriegsausgaben: "Bush versteckt Kosten"

Der Wirtschaftswissenschaftler und Autor des Buchs "Der Drei-Billionen-Dollar-Krieg" über seine Berechnungen der Kosten der Kriege in Irak und Afghanistan für die USA.

US-Soldat trauert um einen gefallenen Kameraden im Irak. Bild: dpa

taz: Herr Stiglitz, in Ihrem neuen Buch behaupten Sie, der Irak-Krieg koste die USA drei Billionen Dollar. Das klingt nicht besonders glaubwürdig, denn selbst pessimistische Schätzungen beliefen sich bislang auf nicht mehr als 200 Milliarden Dollar.

Joseph E. Stiglitz: Richtig, doch jede Schätzung musste inzwischen auch dramatisch nach oben korrigiert worden. Als Präsident George W. Bush 2003 in den Krieg zog, bezifferte er die Kosten auf rund 50 Milliarden Dollar. Heute kann er nicht bestreiten, dass allein im Haushaltsjahr 2008 für den Irak mehr als 160 Milliarden vorgesehen sind. Die direkten Militärausgaben sind also schon jährlich um ein vielfaches höher, als die ursprünglich anvisierten Gesamtkosten.

Aber Sie sprechen doch vom Sechzigfachen?

Der Hauptgrund für unsere höheren Zahlen liegt darin, dass wir bestimmte Posten einbeziehen, die die Bush-Regierung in ihren Berechnungen vergisst oder versteckt. Das ist zum Beispiel das Geld für die Instandhaltung unserer militärischen Ausstattung oder die immensen Demobilisierungskosten, die irgendwann einmal beim Truppenabzug fällig werden. Richtig teuer wird es aber erst, wenn wir die Gesundheitsversorgung für unsere Kriegsversehrten mit einrechnen.

Nämlich?

Meine Koautorin Linda J. Bilmes und ich gehen davon aus, dass die gesundheitlichen Kriegsfolgen uns in den nächsten 50 Jahren mindestens 600 Milliarden Dollar kosten werden. Dazu muss man wissen: Von den bislang 700.000 Heimkehrern mussten 260.000 in einem Invalidenkrankenhaus behandelt werden, weitere 100.000 sind psychisch erkrankt.

Zu den direkten Kriegsausgaben rechnen Sie in Ihrem Buch die makroökonomischen Auswirkungen des Konflikts.

Ja. Der Ölpreis liegt inzwischen bei 100 Dollar pro Barrell, zu Kriegbeginn waren es noch 25 Dollar. Die Terminbörsen sind 2003 davon ausgegangen, dass der Preis stabil bleibt, weil sie im Mittleren Osten ein kostengünstiges Ölreservoir sahen, das selbst der rapide wachsenden Nachfrage aus China und Indien gewachsen ist. Der Krieg hat diese Gleichung über den Haufen geworfen. Zudem hat die Bush-Regierung einen gigantischen Schuldenberg angehäuft, um den Konflikt zu finanzieren. Die Auswirkung dieser maßlosen Geldverschwendung spüren wir jetzt schon mit der Wirtschaftsflaute und sie wird uns noch lange beschäftigen.

Drei Billionen Dollar sind viel Geld. Aber gemessen am volkswirtschaftlichen Reichtum der USA doch fast schon vernachlässigenswert.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Kriegsausgaben nicht besonders hoch. Trotzdem ist der Irakkrieg der zweitteuerste Krieg nach dem Zweiten Weltkrieg. Und weil wir eben das Geld militärisch ausgeben, können wir uns viele andere Dinge nicht leisten. Zum Beispiel die Krankversicherung für Kinder aus ärmeren Haushalten. Die hat die Regierung genauso erfolgreich verhindert, wie den Umbau unseres Sozialversicherungssystems. Das Geld fehlt uns einfach, um wirklich wichtige soziale Belange zu finanzieren. Und eins ist klar: Die Ausgaben im Irak heizen weder kurzfristig die Wirtschaft an, noch sorgen sie langfristig für große Wachstumsraten.

Was macht Sie so sicher, dass Ihre Zahlen korrekt sind?

Bei derart gigantischen Summen kann man natürlich keine Präzisionslandung machen. Man kann nur eine Spanne an Schätzungen ermitteln. Und das haben wir gemacht. Mit ziemlicher Sicherheit liegen die tatsächlichen Kosten sogar weit über den drei Billionen Dollar.

Wie bitte?

Sie dürften irgendwo zwischen drei und fünf Billionen Dollar liegen. Wir wussten, dass wir kritisiert werden würden und haben deshalb vorsichtshalber zurückhaltend geschätzt. Ein Beispiel: Es ist schwer zu bestimmen, in welchem Maße der Krieg für den Anstieg des Ölpreises verantwortlich ist. Heute ist ein Barrel 75 Dollar teurer als damals -- wir haben in unseren Berechnungen aber nur zwischen fünf und zehn Dollar Steigerung dem Krieg zugeschrieben. Seriöse Schätzungen gehen eher von 35 Dollar aus. Hätten wir derartige Zahlen als Grundlage genommen, lägen unsere Gesamtkosten wesentlich höher.

Was waren Ihre Quellen?

Das kommt auf die jeweiligen Posten an. Die Haushaltszahlen haben wir uns direkt von der Regierung besorgt.

Das ging ohne Probleme?

Es gibt einfachere Dinge. Wir mussten uns alles einzeln zusammensuchen und uns ständig auf die Informationsfreiheit berufen. Mit öffentlich zugänglichen Statistiken aus dem Golfkrieg 1990/1991 konnten wir unsere Ergebnisse abgleichen. Was den Gesundheitssektor angeht, haben wir eng mit Veteranengruppen zusammengearbeitet. Das sind die besten Quellen, um einen möglichst genauen Überblick über die Zahl an Kriegversehrten und deren Verletzungen zu erhalten. Gespräche mit Medizinern, Invalidenkrankenhäusern und Universitäten dienten uns dann das Basis, um die finanziellen Folgen zu errechnen.

Deutschland ist dem Krieg nicht beigetreten. Aber genauso wenig hat es ernsthaft versucht, eine breite Koalition gegen den Krieg zu mobilisieren. Trägt Deutschland damit Ihrer Meinung nach eine Mitschuld an den verheerenden Kriegskosten?

Nein. Deutschland hat genau die richtige Entscheidung getroffen. Der Schlüssel war ohnehin Großbritannien. Ohne die Briten wäre es für die USA wesentlich schwieriger gewesen, den Krieg anzufangen. Deshalb haben wir unser Buch auch gleich mal dort auf den Markt gebracht.

Im November wählen die USA den Nachfolger von George W. Bush. Was versprechen Sie sich von den verbliebenen Präsidentschaftskandidaten?

Das wird noch sehr interessant. Denn in Bezug auf den Irak unterscheiden sich die Parteien in der Tat beträchtlich. Ginge es nach John McCain, würden unsere Truppen dort womöglich noch in hundert Jahren stehen. Auf Seiten der Demokraten gab es ein ernsthaftes Umdenken. Denn auch sie haben realisiert, dass uns der Krieg trotz der finanziellen Opfer keineswegs eine bessere Sicherheit verschafft hat.

INTERVIEW: VEIT MEDICK

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