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Niedersächsisches Atomkraftwerk"Eichhörnchen" klettert in Grohnde

Eines der größten AKWs Deutschlands im niedersächsischen Grohnde soll noch bis 2021 laufen. Dagegen protestierten Atomkraftgegner.

Immer feste druff. Marzio protestiert mit Tennisbällen gegen das AKW Grohnde. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Mit einer Demonstration, Blockaden und einer rund 20-stündigen Mahnwache haben hunderte Menschen am Sonntag und Montag gegen den Weiterbetrieb des niedersächsischen Atomkraftwerks Grohnde protestiert. Angeführt von zehn Landwirten mit ihren Traktoren, zogen am Sonntagnachmittag zunächst rund 500 Menschen vom Bahnhof der Gemeinde Emmerthal zum rund zwei Kilometer entfernten Atomkraftwerk.

Dort forderten Redner das Aus für das AKW. Beim Bau des Reaktors in den 1970er Jahren sei rissanfälliger Stahl verbaut worden, hieß es. Zudem kämen in dem von Eon betriebenen Kraftwerk auch Mischoxid(Mox)-Brennelemente mit einem hohen Anteil des giftigen Plutoniums zum Einsatz. Die Atomkraftgegner bemängelten, dass Grohnde noch bis 2021 am Netz bleiben soll.

Während das Haupttor des Kraftwerks nach der Demonstration durch eine angemeldete Mahnwache versperrt war, seilten sich vier Aktivisten, unter ihnen die als "Eichhörnchen" bekannte Kletter-Aktivistin Cécil Lecomte, von einer Brücke über der zweiten Zufahrt ab. Rund 50 weitere Demonstranten besetzten gleichzeitig die zum Kraftwerksgelände führende Straße. "Damit war das Atomkraftwerk effektiv blockiert", befand ein Sprecher des Göttinger Anti-Atom-Plenums.

Die Polizei bestritt, dass es sich um eine ernsthafte Blockade gehandelt habe. "Unter einer Blockade stelle ich mir was anderes vor", sagte ein Polizeisprecher. Nach seinen Angaben leiteten die Beamten gegen einen Mann ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ein. Zudem werde ein Ordnungswidrigkeitsverfahrens gegen den Versammlungsleiter geprüft. Am Montagmittag beendeten die Atomkraftgegner ihre Aktionen.

Das mit einem Druckwasserreaktor ausgerüstete AKW Grohnde zählt mit einer Stromnettoleistung von 1.360 Megawatt zu den größten Atomkraftwerken in Deutschland. Der Bau begann 1976, 1984 lieferte das Kraftwerk erstmals Strom. 2010 gehörte es nach Eon-Angaben mit einer erzeugten Strommenge von 11,42 Milliarden Kilowattstunden zu den "Top Ten der produktivsten Atomkraftwerke weltweit".

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3 Kommentare

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  • H
    Hobbes

    Ich bewundere dich Cecile und deine Mitstreiterinnen. Ihr seid meine Heldinnen. Ihr habt die gesamte Palette an Anschüchterungen erlebt und macht trotzdem weiter. Das ist wahre Stärke, Hut ab. Was sich ein Beamter unter einr "richtigen" Blockade vorstellt ist herzlich egal. Sehr cool finde ich es, dass wir unsere SpezialisT/innen/en in allen Bereichen haben, die technischen Klettere der Polizei sind nur Nachahmungen.

    Grüße aus dem schönen Wendland

  • A
    Andreas

    Endlich zeigen die Leute, dass mal endlich Schluss sein muß!

     

    Wenn mal was in diesem baufälligen AKW passiert, ist ein Umkreis von 80 km betroffen. In diesem Umkreis sind 5,2 Mio Menschen. Wie kann man die evakuieren? Welche Pläne gibt es mit welchen Maßnahmen? Diese Fragen sind bis heute offen.

     

    Zu dem ist seit dem Betrieb der AKWs die Atommüll-Frage offen. Es gibt kein Endlager und ein Zwischenlager (Rückholbares Endlager) will auch niemand vor seiner Tür haben...

     

    Wie kann man mit einer solchen Situation so ein AKW einfach weiter betreiben?

  • V
    vantast

    Für die jüngeren Leser: Frau LeComte ist schon häufiger von der Polizei festgenommen und sogar mißhandelt worden:

    Giessener Allgemeine Zeitung vom 19.9.2010:"Natürlich hat Frau Lecomte Strafanzeige gegen die maßgeblich beteiligten Beamten erstattet. Es ist im hiesigen Bereich üblich, dass wenn solche Beamten in Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben, dass das die Staatsanwaltschaft in Gießen regelmäßig einstellt. Das ist aber keine Ausnahme, sondern eigentlich der Regelfall."

    Hier ist es nun ruhiger zugegangen, aber vermutlich auch wieder übertrieben staatstragend (Investorenfreundlich).