Niedersachsens vorbeugendes Burka-Verbot: Hüllenlose Amtsstuben
Obwohl es bislang keine Fälle gab, will Niedersachsens Regierung Burkas im öffentlichen Dienst verbieten. SPD und Linke lehnen das ab, Muslime sprechen von Hysterie.
HANNOVER taz | Auf breite Kritik stößt der Vorstoß von Niedersachsens schwarz-gelber Landesregierung, ab 2012 ein Burka-Verbot für den öffentlichen Dienst einzuführen. Für die Linksfraktion ist dies ein "Armutszeugnis" für die Integrationspolitik, und die SPD hält ein Verbot für "verfassungsrechtlich mehr als zweifelhaft".
Der Moscheenverband Schura wiederum spricht von "Hysterie": Frauen, die in niedersächsischen Behörden den Ganzkörperschleier tragen wollen, sind dort nicht bekannt.
Einzig die Landtagsgrünen wollen sich dem Vorstoß anschließen. Einen entsprechenden Fraktionsbeschluss haben sie schon im Frühjahr gefasst. Da hatte Innenminister Uwe Schünemann erstmals ein Burka-Verbot für den öffentlichen Dienst in Niedersachsen nach dem Vorbild Hessens gefordert (taz berichtete).
Hessen hat im Frühjahr als erstes Bundesland ein Burka-Verbot im öffentlichen Dienst erlassen. Dort wollte eine Angestellte der Stadt Frankfurt voll verschleiert im Bürgeramt arbeiten.
Im öffentlichen Raum generell verboten ist die Burka in Frankreich und Belgien. Die Abgeordnetenkammer in Italien prüft derzeit ein Verbot, in den Niederlanden hat die Regierung es schon beschlossen.
Zu einer Verurteilung wegen Tragen eines Vollschleiers kam es vor wenigen Tagen erstmals in Frankreich: Zwei Frauen müssen zusammen 200 Euro Geldstrafe zahlen.
In Deutschland wäre ein Komplettverbot von Burkas im öffentlichen Raum nicht möglich: Es schränkt die Grundrechte auf Glaubensfreiheit und ungestörte Religionsausübung ein.
Ursprünglich wollte Schünemann im Zuge einer Novelle des Beamtenversorgungsrechts die "Pflicht zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität" mit einem eigenen Paragraphen einführen. Kleidung oder Symbole, die die Religionszugehörigkeit "demonstrieren und geeignet sind, den religiösen Frieden zu gefährden", sollten nach einem Entwurf aus Schünemanns Haus im öffentlichen Dienst verboten werden.
Das sorgte nicht nur beim Koalitionspartner FDP für Bauchschmerzen. Auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des niedersächsischen Landtages warnte, die Einführung einer solchen beamtenrechtlichen Pflicht sei verfassungswidrig und liege nicht in der Zuständigkeit des Landes.
Die CDU versucht, den Schünemann'schen Verbots-Wunsch jetzt über die Vorschriften zur Dienstkleidung ins Beamtengesetz zu schreiben: Darin soll ein Verhüllungsverbot aufgenommen werden.
Ein "funktionsfähiges Beamtentum" brauche eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit", heißt es in dem Entwurf. Und dafür müsse man den MitarbeiterInnen "ins Gesicht und nicht nur in die Augen schauen können."
Eine Argumentation, die der liberale Koalitionspartner mitträgt: Dass sich das Gegenüber zu erkennen gibt, sei eine "urliberale Forderung", sagt der FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen.
Er glaube ohnehin nicht, dass eine solche Regelung häufig angewandt werde: "Burkaträgerinnen hat man in niedersächsischen Amtsstuben nicht besonders viele gesehen".
Und eben das sorgt für Kritik: Ein Verbot ohne Anlass sei "das unrühmliche Ende einer Scheindiskussion", sagt die Linken-Innenpolitikerin Pia Zimmermann. Auch Klaus-Peter Bachmann von der SPD sieht ohne konkreten Fälle "keine Not" für das Gesetz. Für ihn ist der Vorstoß vielmehr ein "Ablenkungsmanöver": Mit der Novelle des Beamtenversorgungsrechts will Schwarz-Gelb auch die Altersbezüge von Ministern neu regeln - und scheidende Minister besserstellen.
Das, vermutet Bachmann, soll Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) bewegen, sein Amt wie angekündigt an den neuen FDP-Landeschef Stefan Birkner abzutreten. Eine Burka-Debatte, sagt er, solle den "eigentlichen Skandal" vertuschen.
Bei den Betroffenen sieht man das anders: Unter Muslimen sorge der Vorstoß für Unbehagen, sagt der niedersächsische Schura-Vorsitzende Avni Altiner. Er fürchtet, dass sich die CDU auf Kosten der Muslime profilieren wolle: Gesprochen habe man mit ihnen über die Gesetzesänderung nicht.
"Dann hätte man erfahren können, dass dem Großteil ohnehin klar ist, dass man im öffentlichen Dienst Gesicht zeigen sollte", sagt Altiner.
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