Niedersachsen-Derby unentschieden: Nachhilfe für den Helden
In Braunschweig freut man sich über einen Punkt gegen den Abstieg aus dem 1:1 gegen den VfL Wolfsburg. Der muss nach dem mageren Unentschieden den Angriff auf die Champions League abblasen.
BRAUNSCHWEIG taz | Sein Tor und ein paar schöne Dribblings reichten, um zum Helden des Tages aufzusteigen. Als Karim Bellarabi in der 81. Minute ausgewechselt wurde, gab es viel Applaus. „Die Leidenschaft stimmt einfach bei uns“, sagte der Offensivkünstler im Dienst von Eintracht Braunschweig. „Und die großen Mannschaften liegen uns.“ 1:1 im Heimspiel gegen den favorisierten VfL Wolfsburg, ein Punktgewinn gegen einen Krösus der Fußball-Bundesliga: Warum nur mogelte sich mitten in diese schöne Konstellation doch noch Missmut? „Karim kann ein ganz Großer werden“, findet Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht. Aber er war gar nicht stolz auf seinen öffentlich gefeierten Torschützen, sondern richtig sauer.
Wenn es darum geht, wie sich Eintracht Braunschweig als Aufsteiger schlägt und wie groß die kleine Chance auf den Klassenerhalt noch ist, spricht Lieberknecht gerne von der Weiterentwicklung seines Teams. Nur vier Siege und sechs Remis in 25 Partien machen Bellarabi und Co. zum Stammgast am Tabellenende. Aber ihr Trainer freut sich, dass die Zahl der individuellen Fehler stetig abnimmt.
Schelte für den Helden
Dem VfL Wolfsburg hatten sie nur einen Treffer durch Luiz Gustavo gestattet. Der Rest der Braunschweiger Missgeschicke war zu verschmerzen – oder zum Haare raufen. „Karim sollte eigentlich zweite Spitze spielen und turnt dann auf der linken Seite herum“, sagte Lieberknecht. Er mag es nicht, wenn jemand aus der Reihe tanzt und sich nicht ins taktische Kollektiv einreiht. Bellarabi bekam während des Spiels Anweisungen in Serie von seinem Trainer zu hören. Es handelte sich dabei um Nachhilfestunden in der Frage, wie man wann wohin läuft und warum.
Ohne die individuelle Klasse eines Bellarabi, der kurz nach der Pause nach Vorlage von Domi Kumbela das 1:1 erzielte, wird Braunschweig den Klassenerhalt nicht schaffen. Aber sein mangelndes taktisches Verständnis bringt die Eintracht auch immer wieder in Verlegenheit.
Die erste Halbzeit des ostniedersächsischen Derbys hatte Wolfsburg klar dominiert. „Was dann passiert ist, kann ich mir nicht erklären“, meinte der ernüchterte VfL-Mittelfeldspieler Maximilian Arnold. Den Wolfsburgern war es nicht gelungen, der Brisanz eines Derbys mit dem nötigen Elan zu begegnen. Wie ein tapferer Außenseiter kämpfte sich die Eintracht ins Spiel. „Wir haben uns von unserem Weg nicht abbringen lassen“, sagte Abwehrchef Ermin Bicakčić und klang dabei sehr stolz.
Die Genugtuung auf der einen Seite, in Eichhörnchenmanier den nächsten Punkt eingesammelt zu haben, war für die andere Seite mit einem Verlust der guten Laune verbunden. Nach zwei Niederlagen mit insgesamt zwölf Gegentreffern wäre es für den VfL Wolfsburg richtig gut gewesen, erstmals in dieser Saison ein niedersächsisches Duell zu gewinnen. Aber was gegen Hannover 96 nicht gelingen wollte, misslang auch im zweiten Anlauf gegen Braunschweig. Deshalb pfiff der harte Kern der Wolfsburger Fans nach Schlusspfiff auf die vermeintlichen Stars des VfL.
„Ich kann das verstehen. Wir haben die Pfiffe zu akzeptieren“, sagte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking. Er muss seine Mannschaft daran erinnern, wie viele Minuten man sich während eines Bundesligaspiels konzentrieren sollte. Über 90 Minuten eine weitgehend fehlerlose und durchweg engagierte Leistung zu zeigen, gelingt der VfL-Elf nicht.
Allofs fragt nach Mentalität
„Ich hoffe, dass das keine Mentalitäts-Sache ist“, sagte VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs. Er war bedient und klang leicht angriffslustig. Die Probleme, die Allofs in Wolfsburg auf Trab halten, sind von größerer Bedeutung als die falschen Laufwege von Braunschweigs Bellarabi.
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