piwik no script img

Niederlande vor Match gegen Frankreich"Die Füße müssen auf die Erde"

Trainer Marco van Basten und Ruud van Nistelrooy hatten ihre Probleme. Am Freitag braucht van Basten den Stürmer als Leuchtturm, der den Weg zum Tor weist.

"Die müssen jetzt gewinnen, wir nicht": Marco van Basten, Trainer der Niederlande Bild: dpa

Niederlande - Frankreich

La Grande Nation droht, klein zu werden. Nicht nur wegen Sarkozy, auch die Zidane-Nachfolger schwächeln, mühten sich zu einem mageren 0:0 gegen Rumänien. Der König von München, Spitze-Hacke-Ribéry auf verlorenem Posten als rechter Außenstürmer, Chelsea-Star Malouda stand völlig neben sich, und Jungspund Benzema bekommt als Quittung für Null-Torgefahr nun einen Platz auf der Bank. Für die Wendung bei den Blauen will Trainer Domenech mit einem einfachen Trick sorgen: Einfach die Taktik der Rumänen, Beton anzurühren, kopieren und vorne auf den wiedergenesenen Thierry Henry setzen. Nur so gibts noch Hoffnung für die Grande Nation.

Niederlande: van der Sar - Ooijer, Heitinga, Mathijsen, van Bronckhorst - de Jong, Engelaar - Robben, van der Vaart, Sneijder - van Nistelrooy

Frankreich: Coupet - Sagnol, Thuram, Gallas, Abidal - Toulalan, Makelele, Vieira - Ribéry, Malouda - Henry

Anstoß: 20.45 Uhr, ARD

LAUSANNEDrei Rolltreppen führen hinauf zum Olympischen Museum über den Dächern der Stadt. Hier, unweit vom Mannschaftshotel, halten die Niederländer ihre Pressekonferenzen ab, aber an diesem Donnerstagmittag kommt nicht jeder hinein. Nach dem bewegenden 3:0 gegen Italien interessieren sich auf einmal alle für das Team von Marco van Basten. Damit hatte die Museumsdirektion nicht gerechnet.

Der Bondscoach und der zu sarkastischen Schnippigkeiten neigende Torsteher Edwin van der Sar geben sich Mühe, die Begeisterung zu moderieren. "Natürlich war das ein gutes Spiel", sagt van Basten. "Aber mit nur einem guten Spiel kann man kein Turnier bestreiten." Die Füße, sagt der 43-Jährige, "müssen zurück auf die Erde." Journalisten fragen schon nach einer Einschätzung zum möglichen Halbfinalgegner Spanien und ob er nach einem Sieg gegen die Franzosen im letzten Gruppenspiel gegen die Rumänen seine erste Elf schonen wird. Van Basten bügelt sie höflich ab. So weit sind seine Jungs noch nicht.

"Einen historischen Sieg", hat der Nationaltrainer das Ergebnis gegen den Weltmeister nach dem Schlusspfiff in einem Anflug von Euphorie genannt, seitdem ist er bestrebt, die Fallhöhe wieder zu senken. Er spürt, dass es trotz des Jubels in der Heimat noch viele gibt, die ihn am liebsten zurück auf die Flachebene zerren würden.

Frankreichs 0:0 gegen die Rumänen hat ihm in die Karten gespielt, gibt er zu, "die müssen jetzt gewinnen, wir nicht". Die Niederlande werden in Bern nicht ins Verderben stürmen. Seine Niederlande nicht. Van Basten hat den orangenen Fußball ideologisch entrümpelt, und er hat im eigenen Kopf mit den Aufräumarbeiten angefangen. Als Absolvent der Ajax-Schule konnte er früher mit nicht so künstlerisch veranlagten Spielertypen wenig anfangen. Bayerns Mark van Bommel, der "Aggressiv-Leader" (Ottmar Hitzfeld), hatte bei ihm keine echten Chancen, genau wie AC Milans Clarence Seedorf.

Sogar mit Ruud van Nistelrooy, dem treffsichersten Niederländer seiner Generation, überwarf er sich nach der WM 2006. "Er mag meine Spielweise nicht", klagte der Real-Madrid-Stürmer und verkündete im Januar 2007 das Ende seiner Länderspielkarriere. Van Nistelrooys Schicksal war typisch für die Obsessionen des holländischen Fußballs, Tore allein waren nicht gut genug. Vom Establishment wurde er wegen seinen vergleichsweise schlichten technischen Fähigkeiten nie ganz für voll genommen. Aus Nordbrabant, seiner Region, kamen nach landläufiger Meinung gute Fahrradfahrer, aber keine echten Kicker. 150 Tore in fünf Jahren bei Manchester United bestätigten, man glaubt es kaum, die Vorurteile: Van Nistelrooy hatte 149 davon mit staubtrockener Nüchternheit erzielt. Er ist ein Opportunist. Keiner dieser Zauberer. Bei der EM vor vier Jahren, als es in Europa keinen besseren Stürmer gab, sang man nicht seinen Namen, sondern den des eleganteren, aber längst der eigenen Dekadenz zum Opfer gefallenen Flaneurs Patrick Kluivert.

Es dauerte, bis van Basten seinen Irrtum erkannte. Van Nistelrooy signalisierte vor zwölf Monaten Gesprächsbereitschaft und kam zurück in den Kader. Man spürt, dass dem 31-Jährigen nach einer Knöchelverletzung Antrittschnelligkeit fehlt, doch van Basten braucht ihn als Leuchtturm, der den ständig rotierenden Jungspunden im offensiven Mittelfeld den Weg zum Tor weist.

Am Donnerstag meldete der Trainer, dass sich Flügelflitzer Arjen Robben überraschend schnell von seinen Leistenbeschwerden erholt hat. Schon gegen Frankreich könne der 24-Jährige wieder spielen. So verließ man die Pressekonferenz und sah Hollands traumhaft schöne Aussichten. Der Blick auf den Genfersee war übrigens auch ganz hübsch. R. Honigstein

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!