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Niederlande streitet über AufenthaltsrechtEin Angolaner wird zum Politikum

Der Regierungsstreit über den Flüchtling Mauro Manuel wurde in letzter Minute beigelegt. Der 18-Jährige erhält vorübergehend einen Studentenstatus.

Kämpfen gegen Windmühlen. Auch in den Niederlanden haben es Flüchtlinge schwer einen Aufenthaltsstatus zu ergattern. Bild: dapd

AMSTERDAM taz | Ein Studentenvisum für Mauro Manuel - diese Kompromisslösung ist das vorläufige Ende einer Debatte, die die Niederlande seit einer Woche im Bann hält. Dem 18-jährigen Angolaner, von seiner Mutter mit neun Jahren in der Heimat in ein Flugzeug gesetzt und aufgewachsen in einer niederländischen Pflegefamilie, droht die Abschiebung in sein Geburtsland.

Das Parlament in Den Haag lehnte am Montag den Antrag linker Oppositionsparteien ab, Manuel eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu gewähren. Ein vorübergehender Status als Student findet dagegen eine Mehrheit. Den entsprechenden Antrag kann der Angolaner in den Niederlanden stellen und auch den Bescheid vor Ort abwarten.

In den vergangenen Wochen hatte sich der Fall Mauro Manuel vom Einzelschicksal zum hochbrisanten Politikum hochgeschaukelt, in dem die christdemokratische Regierungspartei CDA die Schlüsselrolle spielte. Die Partei bildet gemeinsam mit der neoliberalen VVD von Premier Mark Rutte eine Minderheitsregierung.

Diese kommt nur dank der Duldung durch die immigrationsfeindliche "Freiheitspartei" (PVV) von Geert Wilders auf eine Mehrheit von einem Sitz. Die Tolerierung der Regierung durch die PVV wiederum ist an einen strengen Kurs in der Zuwanderungs- und Asylpolitik gekoppelt.

Das Schicksal des jungen Angolaners spaltete die Christdemokraten: der zuständige Minister für Einwanderung und Asyl, Gerd Leers, wollte Manuel in Übereinstimmung mit dem Koalitionspartner VVD und der PVV nach Angola zurückschicken.

Die Parteibasis allerdings lehnt das ab und stimmte auf einem Kongress am Wochenende für eine "humanere Politik" gegenüber jungen Asylbewerbern. Auch zwei Fraktionsmitglieder forderten ein Bleiberecht für Mauro Manuel. Es drohte eine Regierungskrise, Wilders zog die Verlässlichkeit des CDA in Zweifel.

In den Tagen vor der Abstimmung führte die hohe Medienpräsenz des Falls zu einer enormen Anteilnahme in der Bevölkerung. "Mauro" war das dominierende Nachrichtenthema, eine Kampagne mit dem Titel "Mauro muss bleiben" wurde von Künstlern und Prominenten unterstützt, selbst der ehemalige - christdemokratische - Premierminister Ruud Lubbers setzte sich für einen Verbleib des Angolaners ein.

70 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage sprachen sich zuletzt dafür aus, den offenbar gut integrierten Manuel nicht abzuschieben. 2010 hatte ein Gericht ihm ein Bleiberecht auf Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention zuerkannt, gegen das Immigrationsminister Leers in Berufung ging.

Manuel zeigte sich nach der Abstimmung "enttäuscht". Die liberale Tageszeitung De Pers kritisierte, der Angolaner sei "hin und her geschleudert worden wie in einem Flipperkasten". Ad Koppejan, einer von Manuels Fürsprechern in der CDA-Fraktion, bezeichnete sich derweil als "glücklichen Christdemokraten".

Die Partei hofft, mit dem gefundenen Kompromiss ihren Richtungsstreit zu schlichten und die Unruhe in der Minderheitsregierung zu beenden. Duldungspartner Geert Wilders empfahl dem CDA unterdessen dringend, ihren "Schlingerkurs" nicht zu wiederholen.

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3 Kommentare

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  • P
    PeterPan

    @von Eisvogel

     

    Wenn die G20 ihre merkantilistischen Handelsbarrieren gegenüber Afrika und Asien hinterfragen würden und sich gleichermaßen an freien, marktwirtschaftlichen Grundsätzen orientierten, so wie das von "Entwicklungsländern" immer verlangt wird, dann würden auch keine zweistelligen Millionenmassen aus Afrika oder dem Orient nach Europa oder in die U.S.A kommen wollen. Weiterhin könnte dann auch sukzessive, diese unsägliche, heuchlerische und im Kern häufig kontraproduktive "Entwicklungshilfe" eingetsellt werden. Es geht meiner Ansicht nach nicht darum, ob wir nun Menschen den Stempel "Flüchtling" oder "Einwanderer" aufdrücken. Das ist doch letztlich reiner Formalismus. Die Grundfrage ist vielmehr, ob wir weltweit eine freie Marktwirtschaft, mit sozialen Absicherungen propagieren wollen, in der ein jeder Akteur mit denselben Rechten und Pflichten ausgestattet ist oder, ob wir weiterhin einen globalen, kapitalistischen Monopolsozialismus befördern wollen, der nur der Rendite und einer kleinen Gruppe von wenigen 100 Personen weltweit zugute kommt. Ich denke, dass ist die Kernfragen, die gelöst werden muss, um langfristig zu verhindern, dass sich Mütter, egal wo auf der Welt, genöttigt sehen, Ihr Kind in ein Flugzeug zu setzen. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es auf Basis eines gesunden Menschenverstandes ja wohl selbstverständlich sein sollte, wenn ein Kind seit seinem neunten Lebensjahr in einer Familienstruktur im Einklang mit seinem sozialen Umfeld lebt, es wohl selbstverständlich ein Bleiberecht haben sollte. Wer da jetzt absichtlich Fremdheit aufgrund der "vökisch" angolanischen Herkunft konstruiert und es damit richtfertigen will, den jungen Menschen jetzt erneut aus seinem sozialen Umfeld heraus zu reissen, ist in meinen Augen einfach nur ein Arsc+++ch, doch dass ist meine persönliche Meinung.

    Klar ist nur eins, die westliche Welt muss endlich anfangen freien Handel und freien Fluss von Arbeitskräften zuzulassen, ansonsten wird die derzeitige Manifestation des weltweiten Unrechts der G20, des IWF und der Weltbank irgendwann ihr Untergang sein. Darüber würde ich mal nachdenken, wenn da mal wieder, mit durch Überheblichkeit geschwellter Brust, verbreitet wird, man könne nicht alle aufnehmen. Vollkommen richtig, aber man könnte mal damit aufhören, fast alle in Afrika und Asien zu verarschen sonst schiessen die nämnlich irgendwann nicht mehr aufeinandern sondern auf uns...

  • P
    PeterPan

    @von Eisvogel

     

    Wenn die G20 ihre merkantilistischen Handelsbarrieren gegenüber Afrika und Asien hinterfragen würden und sich gleichermaßen an freien, marktwirtschaftlichen Grundsätzen orientierten, so wie das von "Entwicklungsländern" immer verlangt wird, dann würden auch keine zweistelligen Millionenmassen aus Afrika oder dem Orient nach Europa oder in die U.S.A kommen wollen. Weiterhin könnte dann auch sukzessive, diese unsägliche, heuchlerische und im Kern häufig kontraproduktive "Entwicklungshilfe" eingetsellt werden. Es geht meiner Ansicht nach nicht darum, ob wir nun Menschen den Stempel "Flüchtling" oder "Einwanderer" aufdrücken. Das ist doch letztlich reiner Formalismus. Die Grundfrage ist vielmehr, ob wir weltweit eine freie Marktwirtschaft, mit sozialen Absicherungen propagieren wollen, in der ein jeder Akteur mit denselben Rechten und Pflichten ausgestattet ist oder, ob wir weiterhin einen globalen, kapitalistischen Monopolsozialismus befördern wollen, der nur der Rendite und einer kleinen Gruppe von wenigen 100 Personen weltweit zugute kommt. Ich denke, dass ist die Kernfragen, die gelöst werden muss, um langfristig zu verhindern, dass sich Mütter, egal wo auf der Welt, genöttigt sehen, Ihr Kind in ein Flugzeug zu setzen. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es auf Basis eines gesunden Menschenverstandes ja wohl selbstverständlich sein sollte, wenn ein Kind seit seinem neunten Lebensjahr in einer Familienstruktur im Einklang mit seinem sozialen Umfeld lebt, es wohl selbstverständlich ein Bleiberecht haben sollte. Wer da jetzt absichtlich Fremdheit aufgrund der "vökisch" angolanischen Herkunft konstruiert und es damit richtfertigen will, den jungen Menschen jetzt erneut aus seinem sozialen Umfeld heraus zu reissen, ist in meinen Augen einfach nur ein Arsc+++ch, doch dass ist meine persönliche Meinung.

    Klar ist nur eins, die westliche Welt muss endlich anfangen freien Handel und freien Fluss von Arbeitskräften zuzulassen, ansonsten wird die derzeitige Manifestation des weltweiten Unrechts der G20, des IWF und der Weltbank irgendwann ihr Untergang sein. Darüber würde ich mal nachdenken, wenn da mal wieder, mit durch Überheblichkeit geschwellter Brust, verbreitet wird, man könne nicht alle aufnehmen. Vollkommen richtig, aber man könnte mal damit aufhören, fast alle in Afrika und Asien zu verarschen sonst schiessen die nämnlich irgendwann nicht mehr aufeinandern sondern auf uns...

  • E
    Eisvogel

    Studentenvisum? Hoffentlich nur auf der Grundlage dass er tatsächlich Student ist...

     

    Details beiseite: es wäre dem Thema sehr zuträglich, wenn eine Begriffsdiskussion erlaubt wäre.

     

    So schiessen sich Befürworter eines hyperliberalen Aufenthaltsrechts im Grunde ins Bein, wenn sie als Argument für den einzelnen Fall "gut integriert" bringen. Mit diesem Argument könnte ich beispielsweise die nächsten zwei Jahre fünf mal meine drei Touristenmonate in Kanada verbringen, mir dort die lokalen Gepflogenheiten und Dialekt aneignen, einen Freundeskreis aufbauen und dann sagen "ich passe hier gut her, bitte geben Sie mir eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung". Quatsch? Eben.

     

    Argument für das Bleiben eines Flüchtlings muss sein, dass er in seinem Heimatland nicht sicher leben kann. Kann er dies doch, ist er kei Flüchtling mehr sondern ein Einwanderer. In der Praxis der letzten Jahrzehnte hat sich dabei de facto eine Gruppe von Menschen ergeben, bei denen der eine Status (Asyl) die Einreise bestimmt, und dann in den anderen (dauerhaft bleiben, also einwandern) übergeht.

     

    Man sollte dann als Liberaler so konsequent sein, zu diskutieren welches Recht man da anwenden und ggf. anpassen will. Asyl ist eine Frage nach Menschlichkeit, Einwanderung muss sich ganz anderen Kriterien unterziehen, unter anderem einer ökonomischen Logik. Somit ist die Integriertheit beim Asylbewerber eigentlich egal, beim Einwanderer sehr wichtig.

     

    Was zu bösem Blut führt ist die Angewohnheit, je nach Lage mal auf Asyl und mal auf Einwanderung zu machen und wild durcheinander zu diskutieren, wie es gerade am besten passt. Der Linken fehlt es da bisweilen an argumentativer Stringenz und dem Willen zur Genauigkeit.

     

    Auch darf man nicht die Antwort auf Abgrenzungsfragen schuldig bleiben. Wer in jedem Einzelfall definieren mag, wer kommen und bleiben darf, muss auch mal in der Grundsätzlichkeit ansagen können wer unter welchen Umständen NICHT berücksichtigt werden kann. Es sei denn man glaubt im Namen eines Bleiberechts für alle, dass die europäischen Gesellschaften eine zweistellige Millionenmasse an Afrikanern und Orientalen gut wegstecken können. Da kann ich dann aber nicht länger mitdiskutieren weil mir der Aberwitz fehlt.