: „Nicht von Pontius nach Pilatus laufen müssen“
■ Auch Senator Hoffmann-Riem ist ein Bürgeramt-Sympathisant – Nur wie und wann?
Bezirksamt St. Pauli: Nummer 72 gezogen, Nummer 23 ist dran. Wäre wohl doch besser gewesen, um sechs Uhr aufzustehen. Eineinhalb Stunden später: Nur noch 33 Nummern Abstand bis zur Sachbearbeiterin. Ans Auto-Ummelden möchte man im Augenblick gar nicht denken. Auch nicht an den neuen Paß, der demnächst ansteht.
„Der Bedarf für mehr Bürgerfreundlichkeit in der Verwaltung ist zweifellos da“, kann auch der frisch aus Israel zurückgekehrte Senator und Geburtsshelfer der Bezirksverwaltungsreform, Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos), nicht umhin, die Defizite zu erkennen, „ich bin ein Freund der Dezentralisierung.“ Es müsse Ansprechpartner vor Ort geben, die verhindern, daß man „von Pontius nach Pilatus“ laufen muß. Doch das Zauberwort „Bürgeramt“ allein reiche nicht; es müsse dabei wirklich um eine Entwicklung zur Serviceverwaltung gehen. „Ich gehe davon aus, daß es noch eine zweite Stufe der Bezirksverwaltungsreform geben wird“, so Hoffmann-Riem gestern zur taz.
Den Traum von bürgernahen Allzweckämtern im Stadtteil, wo mensch mit kurzen Wegen und Wartenzeiten alles erledigen kann, was ansteht, träumte vergangene Woche die GAL in der Bürgerschaft. GAL-Fraktionsvorsitzender Willfried Maier war zuvor eigens nach Heidelberg gereist, um die kleinen Verwaltungswunder an Ort und Stelle zu bestaunen. Sein Fazit: effizienter, netter, bürgernäher und billiger. Ob man nicht auch in Hamburg mit dem neuen Steuerungsmodell in den 104 Stadtteilen Bürgerämter einführen könnte?
Eine waghalsige Forderung, wie sich nach einer Großen Anfrage herausstellte. Denn der Senat weiß nicht einmal, wie es um den „durchschnittlichen Publikumsverkehr“ auf Hamburgs Ämtern bestellt ist. Auch die Wartezeit kann nur grob geschätzt werden. Im übrigen würde „bereits ein hohes Maß an Ortsnähe und Kundenorientierung“ geboten.
Diese unverfrorene Informationslosigkeit, mit der auf einer Anfrage des Parlaments geantwortet wurde, war sogar der geduldigen SPD-Fraktion zu dünn. Auch die SPD sei mit der Auskunft des Senats „nicht sehr zufrieden“, erhob SPDler Walter Zuckerer die Stimme zum Tadel. Zumindest hätte der Senat „besser und publikumswirksamer darstellen können“, was er bereits „Gutes“ geleistet hat. Immerhin gehe aus dem Papier hervor, daß es seit dem vergangenen August eine Arbeitsgruppe zum Thema Bürgerämter gibt. „Spätestens im Herbst werden wir beim Senat anmahnen, uns die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe mitzuteilen“, drohte Zuckerer mit Taten.
Andererseits sei die GAL-Vorstellung von 104 Bürgerämtern überzogen. Zwar nehme er erfreut zur Kenntnis, daß die GAL beim Heidelberg-Besuch „aus den reichhaltigen Erfahrungsschatz der SPD-Kommunalpolitik“ schöpfe. Doch die Erfahrung einer Kleinstadt ließe sich nicht einfach auf eine Metropole wie Hamburg übertragen. „Das schließt nicht aus, daß nicht vieles zu verbessern wäre.“
Silke Mertins
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