Nicht um jeden Preis: Rückzieher beim Wohnungskauf
Stadtentwicklungssenator Geisel will Wohnungen des Bundes nur noch kaufen, wenn es sich für das Land Berlin auch rechnet.
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) macht einen Rückzieher beim Kauf von Wohnungen, die dem Bund gehören. Der bisherige Deal war: Der Bund verkauft die Wohnungen nicht an den Meistbietenden, sondern zum Verkehrswert an Berlin. Doch jetzt will Geisel – anders als von Vorgänger und inzwischen Regierendem Bürgermeister Michael Müller im November versprochen – plötzlich doch nicht mehr den Verkehrswert zahlen. Daran scheiterte jetzt der Kauf von Wohnungen in Schöneberg.
Der Bund ist Eigentümer von 48 Wohnungen an der Großgörschenstraße. Ein Gutachten des Bundes ergab einen Verkehrswert von 7,1 Millionen Euro. Der Bund ist auch bereit, die Wohnungen zu diesem Preis zu verkaufen. Geisel sagte am Montag, so viel wolle Berlin aber nicht zahlen. Man habe stattdessen nun auch „den Ertragswert des Grundstückes einbezogen und wir konnten dann maximal 6,3 Millionen Euro bieten“.
Das neue Kriterium für den Ankauf erläuterte Geisel: „Eine Wirtschaftlichkeit des Grundstücks ist nur dann gegeben, wenn der Kaufpreis des Grundstücks in irgendeiner Weise finanziert werden kann.“ Das bedeutet: Das Land beziehungsweise eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft nimmt Schulden auf, um die Wohnungen kaufen zu können. Die Mieten in den Wohnungen müssen hoch genug sein, um davon Zinsen und Tilgung zahlen zu können.
In den fraglichen Wohnungen sind die Mieten derzeit außergewöhnlich niedrig – 3,50 Euro netto kalt pro Quadratmeter, sagte Geisel. Die Mieten könnten dort nach dem Kauf durch das Land Berlin maximal um das gesetzlich erlaubte steigen – also um 15 Prozent in drei Jahren. Unter diesen Voraussetzungen sei der Kauf der Wohnungen zu einem Preis von 7,1 Millionen Euro „völlig unwirtschaftlich“, so Geisel. Berlin sei ein Nehmerland im Länderfinanzausgleich und könne sich solche Verlustgeschäfte nicht leisten.
Für private Käufer sieht die Rechnung anders aus: Sie können versuchen, die Mieter zu vergraulen, die Wohnungen zu sanieren und dann mit Gewinn als Eigentumswohnungen weiterzuverkaufen. Für die Mieter wird ihre günstige Miete zum Verhängnis – und dass sich Berlin nicht an seine Zusagen hält.
Der Bund will die Wohnungen jetzt an einen privaten Käufer vergeben. Die endgültige Entscheidung fällt im Haushaltsausschuss des Bundestages. Die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus will dort noch den Stopp des Verkaufs beantragen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale