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Nicht sparsam genug

■ Bundesbanker glaubt nicht mehr recht an die europäische Währungsunion

Wien (dpa/AP) – Der Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank, Otmar Issing, hat massive Zweifel am fristgerechten Start der Europäischen Währungsunion im Jahr 1999 geäußert. Schärfer noch als vor wenigen Tagen das Europäische Währungsinstitut, der Vorläuferin einer geplanten europäischen Zentralbank, kritisierte er die Zerrüttung der öffentlichen Finanzen in den EU-Staaten.

„Jetzt rächt sich, daß die allermeisten Regierungen es versäumt haben, unmittelbar nach Abschluß des Maastricht-Vertrages das Steuer in der Budgetpolitik herumzureißen“, sagte Issing gestern auf einer Tagung der österreichischen Nationalbank in Wien. Auch Deutschland habe sich 1995 wegen des zu hohen Haushaltsdefizits nicht für die Währungsunion qualifiziert. Je länger die Konsolidierung verschoben werde, desto unwahrscheinlicher sei die Realisierung der Union. „Am Ende ist dieses Bemühen, zusammengedrängt auf eine kurze Zeitspanne, offensichtlich politisch wie ökonomisch absurd.“

Der Bundesbanker warnte davor, von der Europäischen Währungsunion ein „goldenes Zeitalter“ zu erwarten. Man solle sich davor hüten, „sich reich zu rechnen“. Die Einsparungen, wenn der Währungsumtausch wegfiele, würden überschätzt, da die mit der Einführung des Euro verbundenen Umstellungskosten „entweder nicht gesehen oder zu niedrig veranschlagt werden“.

Dem Wegfall von Währungsschwankungen stehe gegenüber, daß Wechselkursänderungen dann auch nicht mehr als Instrument zum Ausgleich volkswirtschaftlicher Ungleichgewichte zur Verfügung stünden. Damit sind Issing zufolge große Probleme in der Lohnpolitik vorgezeichnet, da mit der Währungsunion ein europaweiter Druck zur Angleichung der Löhne entstehe. Dies sei aber nur durch enorme Produktivitätssteigerungen in einzelnen Ländern möglich.

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