: Nicht mehr aus der Gießkanne
■ Programmatisches Trüpel-Papier aufgetaucht / Jetzt wird's ernst
Die programmatische Diskussion innerhalb der Kulturbehörde scheint voranzugehen. Die taz-Öko- Patrouille, die stichprobenartig die Mülleimer der Bremer SenatorInnen nach Einwegflaschen und Knopfbatterien untersucht, fand am Montag im Container der Kulturbehörde ein Schriftstück mit der Unterschrift der Senatorin (“Intern. N.f.d.Dg.“). Wir dokumentieren in Auszügen.
„Nach den vielen Problemlagen und Identitätskrisen, die dieses neue Ressort auszuhalten hatte, fangen wir erst jetzt richtig an, auch Politik offensiv zu gestalten. Dabei sind äußerst schmerzhafte Schnitte nicht zu vermeiden. Aber: Mit dem Rücken zur Wand führt sich das Messer leicht (...)
Heyme: Seine offensichtliche Sympathie für die Eatatüberschreitung seines Vorgängers läßt Schlimmstes befürchten. Die 4 Mio, die er sicher überziehen wird, werden von vornherein aus seinem Etat gestrichen.
Waldau: Wir haben für 92 eine Art Abwicklungsgeld gewährt, in 93 wird dichtgemacht. Niederdeutsches Theater ist Anachronismus und Minderheitenprogramm — 0.2% der Bremer Schüler sprechen Platt.
Concordia: Für Kresnik zu klein. Für Moks zu teuer. Wir verhandeln mit japanischem High-Tec Konzern — will Concordia kaufen, entkernen und umbauen. (...)
Weserburg: Deecke bekommt ein PR-Büro an die Seite, das aus dem Ausstellungsetat finanziert wird. Wenn in 93 die Besucherzahlen nicht exponentiell steigen, wird die Leitung von Manske mitübernommen.
Forum Langenstraße: Geht ganz an Stemmer bei Etat-Halbierung. Er wird für Bremen vermarktet bis auf die Unterwäsche (Bremen: Fotostadt); Abmahnung, wenn er nicht mind. alle drei Monate in NZZ / Herald Tribune erwähnt wird. (...)
Breitenkultur: Kultur gibt's nicht mehr aus der Gießkanne. Schlachthof oder Lagerhaus. Kulturladen Buntentor in der Remmer-Brauerei holt sich seinen Etat bei Beck oder fährt in die City. (...)
Die Durchführung obiger Maßnahmen verfolgt neben Einsparungen ein weiteres Ziel unserer Politik: Förderung einer Streitkultur in der Stadt durch Gespräche zu kontroversen Themen.
Bremen, im März 92
Helga Trüpel
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