Nicht die Rasse, die Köpfe sind das Problem: Hundehalter mit Kampfhundhirn
betr.: „Schüler totgebissen“, taz vom 27. 6. 00, „Kampfhunde werden ausgestorben“, „Der Hund als Extremist“ (Patrik Schwarz), „Besondere Spezies“ (Manfred Kriener), taz vom 28. 6. 00
[...] Ein Zuchtverbot, welches auch Hunde wie Schäferhund und Rottweiler berücksichtigt, wird es nicht geben, denn die Züchterverbände haben eine starke Lobby. Was mit Hunden geschehen soll, die bisher nicht auffällig waren, ist nicht klar, die werden dann vor den völlig überforderten Tierheimen angebunden.
Der aggressive Hund ist lediglich eine Verlängerung des aggressiven Menschen. Eine Verurteilung des Halters wegen versuchten oder vollendeten Totschlags wäre womöglich die bessere Variante. Denn bei einem „normalen“ Gewaltverbrechen wird auch nicht die Waffe bestraft. NINA CORDA, Bremen
[...] Die Lösung zum Erkennen der Gefährlichkeit jedes einzelnen von seiner Rasse oder Größe/Gewicht als so genannter Kampfhund einzustufenden Tieres sowie die Kontrolle erteilter Auflagen wäre meines Erachtens sehr einfach:
1. Jeder dieser vorgenannten Hunde müsste eine leicht erkenn- und sichtbare (gut verplombte) Plakette im Ohr tragen.
2. Die Plakette gäbe es in verschiedenen Farben. Die Farben könnten die Einstufung in „bisher unauffällig“, „auffällig“ und „gefährlich“ verdeutlichen. Für die Stufe „bisher unauffällig“ müsste der Halter sowohl die persönliche als auch die das Tier betreffende Eignung nachweisen. Die Plaketten würden bei entsprechenden Vorfällen gegen die nächst höhere Farbe ausgetauscht.
3. Trägt eines dieser als besonders gefährlich angesehenen Tiere keine Plakette oder werden aus der Farbe der Plakette erkennbare Auflagen nicht eingehalten, wird mit den gebotenen gesetzlichen Mitteln gegen den Halter vorgegangen. [...]
OTTO EIGEN , Berlin
[...] Wieso ist es einfach nicht möglich, dass die Masse der Bevölkerung, die ja unter den Kampfhunden und ihren Haltern leidet, ihren Einfluss und ihre berechtigten Forderungen nicht durchsetzen kann? Im gleichen Atemzug muss man fragen, warum unsere bestehenden Gesetze keinerlei effektive Möglichkeit geben, den Haltern von Kampfhunden entschieden entgegenzutreten? Genau genommen werden vom Staat garantierte Menschenrechte nicht durchgesetzt. [...] JÜRGEN GASIECKI, Neubrandenburg
Die „Verlängerung der eigenen unsicheren Persönlichkeit“ beträgt bei vielen Autonutzern sieben Meter! Viele von ihnen wollen so „toll“ sein wie ihr aufgemotztes oder schnelles Fahrzeug. Der Fetisch Auto definiert sich nach Expertenmeinung eben über zirka 100 (!) vom reinen Transportzweck längst losgelöste „Zusatznutzen“. Hierbei ist es unbeabsichtigt, dass dafür jährlich in Europa über 40.000 Menschen für immer unter die Räder kommen. Genauso wie bei Kampfhundehaltern fühlen sich viele Autofahrer in ihrem Privatleben nicht respektiert. Daher müssen sie sich woanders „glücklich“ fahren, auch wenn unzählige Unschuldige dadurch unglücklich werden. Niemand – auch kein Grüner – protestiert dagegen richtig. Wo bleiben denn hier der Kinderschutzbund und die Elternvereine? Im Auto? [...] STEPHAN NÄSER, Essen
[...] Wäre irgendein Polizist oder eine Person des „öffentlichen Lebens“ von einem beißenden Pinscher angefallen worden, gäbe es drakonische Strafen für Herrchen oder Frauchen und eine entsprechende Verordnung wäre unverzüglich erlassen worden. Aber bei den Fällen der letzten Tage handelte es sich ja „nur“ um „normale“ Mitmenschen.
Fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt liegt der Höchster Stadtpark. [...] Fast jedesmal beim Fotografieren im Park entdecke ich freilaufende Hunde – und ich spreche hier nicht von irgendwelchen Schoßhunden –, denen ich nicht zu nahe kommen möchte. Und die Besitzer an das Anleinen der Tiere zu erinnern, traue ich mich auch nicht, denn den Hund auf einer belebten Wiese frai laufen zu lassen, zeigt bereits das mangelnde Verantwortungsgefühl gegenüber anderen.
MARCO MÜLLER , Frankfurt/Main
Selten habe ich in der taz zwei solch widersprüchliche Texte auf einer Seite gesehen. Wenn aggressive Hunde auf einem Schulhof ein Kind töten, dann müssen sie ganz und gar ausgerottet werden. Mindestens um die Demokratie zu retten. Unter dem tut’s der wirre Kommentar von Patrik Schwarz nicht. Sein wild bewegtes Pädagogenherz übersieht dabei völlig, dass dieser Hamburger Schulhof jahrelang schon von halbstarken türkischen „Junglehrern“ als erzieherischer Freiraum genutzt werden konnte, um Hunde durch Enthemmungs-Training in aggressive Beißer zu verwandeln. Ohne dass irgendein Lehrer dort, oder auch nur ein Anwohner, einmal den Mund aufgemacht hätte. Als der kleine Volkan starb, war der für den Hund ein bewegtes Objekt auf einem angestammten Trainingsplatz. Er hat nur so zugeschlagen, wie es ihm die Wilhelmsburger Gel- und Goldkettchenfraktion Wochenende für Wochenende beigebracht hat. Mit anderen Worten: Wir stehen vor dem blutigen Ergebnis eines äußerst erfolgreichen Lernprozesses.
Wohltuend dagegen der Text von Manfred Kriener, der darauf hinweist, dass wir einen bestimmten aggressiven Menschenschlag aus der Skinhead-, Jungtürken- oder Proll-Fraktion meinen, aber aus Feigheit oder aus missverstandener Humanität auf deren Hunde zeigen. Vielleicht gelingt es uns ja wirklich, die „Kampfhunde“ auszurotten. Nur wäre damit überhaupt nichts gewonnen. Die Jungens mit den bunten Trainingshosen und den Kampfhundgehirnen tauchen dann eben mit perfekt geschulten deutschen Schäferhunden wieder auf. Eigentlich sollten wir seit 1933 doch wissen, dass nicht die Rasse, sondern die Köpfe das Problem sind. KLAUS JARCHOW, Bremen
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