: Nicht bürgerorientiert
Betr.: Bremen: Bürgernah ist blablabla, taz vom 4./5.12.99
Die Stelle des Ortsamtleiters für den Bremer Westen (Findorff, Walle und Gröpelingen) soll nach dem Willen des Innensenators nach Ausscheiden des derzeitigen Leiters nicht wieder besetzt werden. Damit wird die Arbeitsfähigkeit des Ortsamtes zur Disposition gestellt.
Es ist schon verwunderlich, dass die Bertelsmann-Stiftung meint, die Stadt Bremen mit einem Preis als „Bürgerorientierte Kommune“ ehren zu sollen, sieht doch die Wirklichkeit so ganz anders aus. Da werden klammheimlich zum 1. Januar dringend benötigte Ortsamtsleiterstellen einfach nicht mehr ausgeschrieben. Ohne auch nur ein einziges Wort mit den betroffenen Beiräten, die im Übrigen demokratisch gewählt werden, zu wechseln, kündigt Innensenator Schulte Änderungen und neue Chancen für die kommunale Selbstverwaltung an. Diese Änderungen bestehen, wenn man von den wild kursierenden Gerüchten einmal absieht, zunächst einmal darin, diese dringend benötigten Stellen nicht wieder zu besetzen, soll es etwa statt Beiräte in Zukunft Bezirksparlamente wie in Hamburg und Berlin geben? Offensichtlich finden diese Diskussionen in den muffigen Klüngelrunden der großen Koalition statt. Wie sonst kann es sein, dass die Ortsamtsleiter, ganz zu schweigen von den gewählten Beiräten, erst am 8. Dezember in Kenntnis gesetzt werden sollen. Das Etikett „bürgernah“ ist hier denn auch wirklich fehl am Platze. Offensichtlich gefällt sich der Innensenator zunehmend mehr in der Rolle einer anordnenden Obrigkeit, die ganz froh ist, Sparzwänge als Keule einsetzen zu können.
Die Beiräte benötigen die Unterstützung der Verwaltung. Sie verfügen über keinen eigenen Apparat, der notwendig ist, um Sitzungen zu organisieren, Fachleute einzuladen, Protokolle zu schreiben und den Kontakt zur übrigen Verwaltung herzustellen. Gerade die Beiräte vor Ort sind Garant für Bürgernähe. Falls die Bezirksdiskussion wieder aufflammen sollte und einer Scheinprofessionalisierung das Wort geredet wird, bin ich sicher, dass dies teurer wird und auch den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern verschlechtert. Wenn aber eine solche Diskussion schon geführt werden soll, dann bitte öffentlich und bitte vor anstehenden Wahlen, damit sich die Betroffenen einmischen können
Der Bremer Westen jedenfalls braucht einen Ortsamtleiter bzw. eine Ortsamtsleiterin. Es ist, falls ein behördlicher Schlaumeier auf den Gedanken kommen sollte, nicht möglich die Sache mit Bordmitteln zu beheben, einen Ortsamtsmitarbeiter zum kommissarischen Leiter zu erklären und kurzerhand dessen alte Stelle einzusparen. Bürgernähe hat ihren Preis, und ich behaupte, durch das System der Ortsämter ist dieser Preis angemessen. Wenn an den Kosten für politische Führung gespart werden soll, bin ich gern bereit, Vorschläge zu machen. (Verkleinerung der Bürgerschaft, Senatsräte usw.)
Die Beiräte sind nicht bereit, sich durch eine abgehobene Verwaltung vorführen zu lassen. Gerade der Bremer Westen mit seinen Problemen von der Hafensanierung bis zur Bürgerweidenbebauung wird eine Schwächung durch die Streichung der Ortsamtsleiterstelle nicht hinnehmen.
Peter Reinkendorf
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