piwik no script img

Nicht belegt -betr.: "Wohnen bei abgesenktem Standard", taz vom 18.2.1995

Liebe tazlerInnen, sehr geehrter Herr Gleiß,

weil jede Behörde „andere, ihr genehme Zahlen“ verwendet, hat die taz diesmal gleich ganz auf Recherche verzichtet und Zahlen verwendet, die durch nichts belegt sind, sondern auf Schätzungen aus dem hohlen Bauch beruhen. Ich frage auch gar nicht mehr, wer denn die angeblich 6.000 Obdachlosen auf der Straße gezählt hat (realistisch sind ca. 500) und wieso für die taz klar ist, daß 70.000 HamburgerInnen wohnungslos sind (was ist das?).

Viel problematischer als den Zahlenstreit finde ich allerdings die diffamierende Darstellung von Hamburger Wohnunterkünften. Da ist in einem Atemzug die Rede von „Notunterkünften“, „Betten“ und „Kaschemmen“, von „abgesenktem Standard“, „Wohnwagen oder Pfahlbauten“ – was immer letzteres sein mag. Und verglichen wird das alles mit „südamerikanischen Slumstandards“, dessen Herausbildung die „mit dem Thema befaßten Profis“ befürchten. (...)

Hier nur ein paar kleine Hinweise zur Entzerrung Ihres Bildes:

-Das Neubauprogramm der Sozialbehörde zur Verbesserung der Wohnungsversorgung von Obdachlosen verhilft dieser besonders benachteiligten Klientel zu ganz normalen Sozialwohnungen – teilweise in ausgesprochen schönen Neubauten.

-Die acht staatlichen Wohnungsunterkünfte für obdachlose Familien des Landesbetriebes Pflegen & Wohnen (P&W) mit 2.100 Plätzen werden nach Abschluß der bereits seit mehreren Jahren laufenden Sanierungsmaßnahmen alle dem Standard von Sozialwohnungen entsprechen. (...)

-Etwa 50 Prozent aller bei P&W in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Asylbewerber leben in Pavillondörfern (3.000 Plätze). Die andere Hälfte ist in festen Gebäuden untergebracht. Gerade die Pavillondörfer weisen eine hohe Sozialverträglichkeit auf, da sich zum einen die Bewohner selbst dort ein Zuhause nach eigenem Geschmack einrichten können und zum anderen durch die sehr ansehnliche Bauweise die Akzeptanz im jeweiligen Stadtteil sehr gut ist.

-Circa 30 Prozent aller bei P&W in Durchgangsunterkünften untergebrachten Aussiedler leben in Neubauwohnungen mit dem Standard des sozialen Wohnungsbaus, jedoch in engerer Belegung als bei Sozialwohnungen, um einen Anreiz zur Suche nach einer eigenen Wohnung zu erhalten. (...)

-In den Not-Containerdörfern leben inzwischen weniger als 2.000 Menschen, überwiegend bosnische Flüchtlinge. Containerdörfer sind eine notwendige Unterbringungsform im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich um Not abzuwenden, wenn unerwartet viele Menschen kommen. Für die Kriegsflüchtlinge gibt es außerdem 270 Wohnwagenplätze. Solche echte Notunterbringung ist also in Hamburg inzwischen eher die Ausnahme als die Regel (...).

Schöne Grüße

Christina Baumeister

Pressereferentin Behörde für

Arbeit, Gesundheit und Soziales

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen