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Nicht beim „ss“ rechten Arm heben

Betr.: „Schluss mit dem Stuss“, taz bremen vom 29. Juli 2000

Geschrieben werden sollte so wie gesprochen wird. Ohne vertrakte Regelungen, unter Vermeidung von Ausnahmen. Ich muss nicht erst überlegen müssen, aus welcher Sprache ein Wort stammt. Wenn es nach „F“ klingt, ist „F“ richtig. Beim „W“ eben „W“ und nicht „V“. „Schifffahrt“ wollte ich schon vor 45 Jahren in der Schule schreiben, durfte aber nicht! Anfang des 20. Jahrhunderts wurde „Brot“ mit „dt“ = „Brodt“ geschrieben. Solange ich beim Schreiben des „ss“ nicht den rechten Arm ausstrecken muss, habe ich kein Problem.

Menschen, die so engagiert, wie die GegenerInnen der Rechtschreibreform, ihre Ziele verfolgen, sollten ihre Fähigkeiten da einsetzten, wo es sich lohnt und es sehr wichtig ist.

Beispielsweise für die Menschenrechte oder, ganz dringend, gegen Fremdenhass. Vielleicht in der Weise, dass Neo-Nazis nur mit angelegtem Maulkorb auf die Straße dürfen, analog zur Kampf-Hunde-Verordnung. Da mache ich dann auch fleißig mit, beim Unterschriften sammeln! Aber in diesem Land regen die Bürger sich eben gern und nahzu ausschließlich über Banales auf. Durch 23 Orthografien geht die Schreibkultur nicht zugrunde. Viel wichtiger ist: JedeR muss sich ausdrücken mögen. D.h. Angst vor den möglichen Schreibfehlern – sollte niemand haben müssen.

Die FAZ ist konservativ, sie streitet, wie Konservative es gewohnt sind, für den Erhalt dessen, was fortschrittliche Menschen vor ihnen durchgesetzt haben. Eben auch gegen die damaligen Konservativen.

Eine neue Lehrmeinung setzt sich nur langsam durch. Die GegnerInnen werden mit den Jahren ruhiger, einige sterben weg, und wir schreiben fröhlich eine Story nach der anderen. Wie es uns gefällt!

Günther Hoffmann

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