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■ Halten „Islamisten“ US-Soldaten in Mogadischu gefangen?Nicht alle Somalis heißen Aidid

Nun hat sich also eine „Somalische Islamische Heilsbewegung“ dazu bekannt, in Mogadischu mehrere US-amerikanische Soldaten gefangenzuhalten. Ist also nicht General Aidid allein für den Krieg somalischer Milizen gegen die UNO verantwortlich? Mit aller bei Bekenntnissen unbekannter Organisationen gebotenen Vorsicht – es bestätigt sich die Vermutung, daß Aidid die Galerie somalischer UNO-Feindbilder zu Unrecht ganz alleine füllt. Im Laufe der Kriegseskalation in Mogadischu wurde er für die UNO zu einem ideellen Gesamtsomali, der pauschal für alle Mißgeschicke verantwortlich gemacht werden kann und an jenen legendären omnipräsenten „Banditen“ erinnert, der letztes Jahr vor Beginn der internationalen Militärintervention fortwährend die humanitären Hilfsgüter klaute. Indem Aidid zum Universalfeind erklärt wurde, schufen die ausländischen Militärs ein, zwei, viele Aidids. Jetzt sind sie ratlos.

Vielleicht ist die angebliche „Heilsbewegung“ ja ein reines Phantasieprodukt, ein Aidid-Deckname; vielleicht, ganz banal, ein Bestandteil von Aidids Dachorganisation „Somalische Nationalallianz“. Vielleicht ist sie aber auch tatsächlich eine eigenständig agierende islamistische Gruppe, die sich den Kampf gegen die Invasoren auf die Fahne geschrieben hat und somit hervorragend in das in manchen US-Kreisen grassierende Schema einer westlich–islamischen Konfrontation paßt. Diese Frage wird vorerst offenbleiben. Fest steht zumindest: Die Fronten in Mogadischu haben sich mit der Gefangennahme der US-Soldaten verlagert. Bis zu dieser Woche ging es den ausländischen Militärs darum, Aidid „unschädlich“ zu machen; das erklärte Ziel war die Verhaftung des Generals, das nicht erklärte eher seine Schwächung und nachfolgende Reintegration in den politischen Prozeß. Jetzt wird es anders sein. Nicht mehr der böse Aidid bestimmt die militärische Taktik, sondern die gefangenen US-Soldaten. Wie schon im Irak, in Panama und Grenada kann das Leben und die Sicherheit amerikanischer Staatsbürger auch in Somalia zur höchsten Leitlinie amerikanischer Politik werden. Das gebietet vorerst Verhandlungsbereitschaft, nicht weitere Eskalation – auch in den USA wächst zunehmend die Stimmung gegen das Militärengagement.

Insofern hat die „Islamische Heilsbewegung“, sofern die USA an ihre Existenz glauben, der amerikanischen Somalia-Debatte einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Die zunehmend unschlüssige und ziellose Diskussion der letzten Woche um einen US-„Kurswechsel“ erhält jetzt im nachhinein eine ideale Rechtfertigung. Clinton kann nur hoffen, daß die US-Gefangenen am 15. Oktober, wenn er dem Kongreß Rechenschaft über die Somalia-Mission ablegen muß, noch Gefangene sind. Dominic Johnson

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