Neuverfilmung von "Sissi": Die glanzlose Kaiserin
Das ZDF wagt eine Neuverfilmung des "Sissi"-Stoffs: Die ist überfrachtet – und zeigt, dass die Lage ernst ist, aber nie zu ernst, um Kinder zu zeugen. (Donnerstag & Sonntag, 20.15 Uhr).
![](https://taz.de/picture/327745/14/sisi.jpg)
Haben Sie in letzter Zeit abgestaubt? Nein - dann lassen Sie es lieber. Denn Staub gibt allem eine ganz eigene Art Patina, eine, die in der Sonne glitzert. Ohne diese Staubschicht sind Ihre Sachen einfach nur Ihre Sachen. Schön, ja, aber …
Ungefähr so ist es auch mit der Geschichte Elisabeths, der Kaiserin von Österreich. Ernst Marischkas Filmdreiteiler "Sissi" aus den Fünfzigerjahren ist mächtig verstaubt, erzielt aber alle Jahre wieder zu Weihnachten für Sat.1 irrwitzig hohe Einschaltquoten. Da will das ZDF was von abhaben und hat mit der deutsch-österreichisch-italienischen Koproduktion "Sisi" das Ganze nicht nur um ein "s" entschlackt und zum Zweiteiler gekürzt, sondern auch sonst mal kräftig drübergewischt.
Hervor kommt die Italienerin Cristiana Capotondi. Sie spielt Sisi - und sie ist nicht Romy Schneider, hat aber einen bezaubernden frischen Charme und überhaupt ist es ein ganz hinreißendes Paar, das sie mit David Rott als Kaiser Franz Joseph formt. Ein sehr heutiger, empfindsamer und facettenreicher Franz ist das, und man sieht den beiden gerne zu, wie sie sich aus dem Palast stehlen, um die Hochzeitsnacht in aller Freiheit zu begehen, wie sie sich häufigstmöglich in die Arme sinken und der Liebe frönen. Und politische Debatten werden gleich viel erträglicher, wenn die Kaiserin dabei im Negligé auf den kaiserlichen Schreibtisch hingegossen mit ihrem Franz die Lage in der Lombardei diskutiert. Das zeigt zweierlei: Die Lage ist ernst, aber nie zu ernst, um Kinder zu zeugen.
Der Zweiteiler beginnt mit dem Kennenlernen des Liebespaares und endet mit Sisis Krönung zur Königin von Ungarn. Dazwischen hat er einige Längen, denn wo Marischka so klug war, einiges - zugegeben eher Schwermütiges - wegzulassen, wird nun alles angerissen: Der Tod von Sisis erster Tochter, des Kaisers Bruder Max, der Franz mit seinen liberalen Positionen entgegensteht, der Streit um die militärische Ausbildung des empfindsamen Sohnes Rudolf, dazu gibt es ausgiebige Schlachtenszenen und aufopferungsvolle Hingabe der Kaiserin im Lazarett. Historisch korrekter als beim alten "Sissi" ist davon wenig, Sisis Figurfanatismus wird mit ungelenkem Rumturnen am Barren angedeutet, die Eheprobleme lösen sich stets in hingebungsvolle Liebe auf.
Übereifrig soll Sisis politisches Interesse und ihr Einfluss auf die Entscheidungen des Kaisers dargestellt werden, doch bleibt es meist bei nachdenklichem, erschrockenem, ablehnendem Staunen über all das, was so passiert in der Welt. Darüber muss man natürlich reden. Viel reden.
Ein weiterer Grund, warum "Sisi" nicht recht begeistert, sind die drögen Nebenfiguren. Ausgerechnet die Topschauspieler Herbert Knaup als Sisis Vater Max und Martina Gedeck (die von der jungen Liebenden direkt ins Schwiegermutterfach wechseln musste) als Franz Josephs Mutter Sophie sind top fehlbesetzt, weil entweder zu hölzern oder allzu bedeutungsschwer. Schmerzlich vermisst man Gustav Knuth als Kaiserinnen-Vater und Josef Meinrad als Oberst Böckl, die der alten "Sissi" ihren Charme verliehen.
So bleibt ein schön gefilmter ZDF-Sonntagsfilm, mit Dialogen fürs Herz wie diesem. Sie: "Ich habe mein ganzes Leben auf dich gewartet." Er: "Danke, dass du mich gelehrt hast, dich zu lieben." Kein Wunder, dass alles so solide romantikgebürstet ist - Christiane "Inga Lindström" Sadlo verlieh dem Drehbuch den letzten Schliff.
Das ist nicht schlecht, nur eben etwas glatt und glanzlos. Und gerade in der Weihnachtszeit hat es die Seele ja gern etwas funkelnd - auch wenn es nur Staub ist, bei Lichte betrachtet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau